31. Dezember 1947

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Inhaltsverzeichnis

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
Am 20.01.1948 geschriebene Rotkreuz-Postkarte (Textseite)
(Anschriftseite)

••• S. 329 Haupttext fortgesetzt •••Am 10. geschriebene Post wird am 31. zurückgegeben. Die Zensur hatte sie nicht durchgelassen.

Laut Befehl fand am 1.1. eine Verpflegungsaufbesserung statt. Aber erst nachdem dies bis zu uns Kriegsgefangenen durchgesickert war, erhalten wir nach langem Hin und Her mehr Brot, Pfeffer(!) und Lorbeerblätter(!). Dafür zogen sie uns aber wieder andere Produkte ab (Mehl, Hirse, Kartoffeln), ebenso bekommen wir weniger Seife! So haben diese Ganoven aus der vorgesehenen Verbesserung noch eine Verschlechterung gemacht. Ich hatte überhaupt schon wiederholt den Eindruck, dass die Moskauer Führung bestrebt ist, durch ausreichende Verpflegung unsere Arbeitskraft zu erhalten. Das wäre sinnvoll und zu ihrem eigenen Vorteil. Aber diese Maßnahmen wurden zunichte gemacht durch korrupte russische Lagerkommandant und „deutsche“ Lagerleitungen, die große Verpflegungsmengen verkauften, in schlechtere umtauschten und den Gewinn in ihre Tasche stecken. Nach sowjetischem Recht waren das schwere Verbrechen.

Wieder einmal Untersuchungen nach SS-Tätowierungen. Jetzt erst erfuhr ich, dass die SS-Männer an der Innenseite des Oberarms eine kleine Tätowierung hatten. Untersuchung durch einen russischen Arzt und den Politkommissar.

Die bildhübsche russische Lagerärztin, die uns aus Riga geholt hatte und bis jetzt hier Lagerärztin war, ist verschwunden. Man munkelt, sie habe mit unserem Lagerfriseur (deutscher Kriegsgefangener), einem hübschen Kerl, etwas gehabt.

Die jetzige Ärztin ist dick und hässlich, aber sie nimmt ihre Aufgabe ernst und setzt sich manchmal für uns ein. Sie ist Jüdin. Einmal verbot sie Außenarbeiten bei –25°. Bei einer der Impfungen, die in größeren Abständen erfolgten, habe ich mich heimlich aus dem Behandlungszimmer geschlichen. Aber sie hat es bemerkt. Ich war kaum in unserem Wohnraum angelangt, da ließ sie mich schon zurückholen.

Wir finden Rotkreuz-Postkarten, die als Notizzettel und Schmierpapier benutzt worden sind.

E-Werk am Bahnhof, Zustand 1941–1943 (Quelle)

E-Werk. Das Elektrizitätswerk liegt inmitten der Unterstadt, dem im Dnjepr-Tal gelegenen Teil der Stadt, und zwar unmittelbar neben den Bahngleisen. Einige dieser Gleise führen in das Werk hinein. Das Werk ist teilweise noch zerstört. Deshalb stehen auf dem Gelände zwei große amerikanische Pullmanwagen, deren Maschinen oder Motoren Tag und Nacht mit großem Getöse laufen, um zusätzlichen Strom zu erzeugen. Ob es Generatoren sind oder ob sie nur Generatoren antreiben, entzieht sich meinen mangelhaften technischen Kenntnissen.

Unsere Arbeit hier besteht hauptsächlich darin, die in einem mehrstöckigen Haus befindlichen Maschinen laufend mit Brennmaterial zu versorgen. Wir entluden also pausenlos Güterzüge, die mit Torf oder manchmal auch mit Koks herankamen. Die Torfstücke sind so lang und dick wie der Oberarm eines starken Mannes. Sie sind hart wie Holz. Beim Entladen werfen wir den Torf einfach nach beiden Seiten auf die Erde hinunter. Von hier wird er mit einer kleinen Lorenbahn zu einem Fließband mit Baggerschaufeln (Becherwerk) gefahren, das den Torf schräg hinauf zum 2. Stock des Maschinenhauses befördert und dort abkippt.

••• S. 329: Rückblende, nicht datierbar, nach Veröff. zu 6.8.46 verschieben •••Wir hatten hier im Sommer schon einige Wochen gearbeitet. Die Tagesschicht war erträglich, nur etwas staubig. Zuweilen aber kamen die Torfzüge so dicht nacheinander, dass rund um die Uhr gearbeitet werden musste. Dann arbeitete die Tagschicht gleich als Nachtschicht weiter, oder sie wurde von einer anderen Brigade abgelöst, die aber auch schon ihre Tagesarbeit anderswo geleistet hatte.

Ich erinnere mich an einen von vielen ähnlichen Fällen: Gleich nach dem Abendessen zogen wir wieder los, müde und ärgerlich, denn wir hatten unsere Tagesarbeit schon hinter uns. Der Zug steht an der üblichen Stelle, rechts und links die langgestreckten Hügel des vom vorigen Zug entladenen Torfes. Wir klettern auf die Waggons und beginnen, die Torfstücke hinunterzuwerfen. Mit den Händen, natürlich. Und im Dunkeln, versteht sich. Wir schuften die ganze Nacht hindurch. Da es warm ist, arbeiten wir mit freiem Oberkörper. Im fahlen Licht das grauenden Morgens erkennen wir die Torfhügel beiderseits des Zuges, die sich immer höher türmen. Aber die Arbeit geht immer schleppender voran. Wir sind müde und staubig. Nun sind die Waggons leer, ••• S. 330 •••aber von den Torfbergen ist so viel auf die Gleise gerutscht, dass der Zug nicht abfahren kann. Also müssen wir unter die Wagen kriechen, um die Gleise freizumachen, aber niemand hat mehr Lust und Kraft. Der Natschalnik treibt immer wieder Leute unter die Waggons. Wir brauchen fast 2 Stunden für diese Arbeit, die sonst in 1/2 Stunde getan ist. Endlich, endlich sind wir fertig. Der Zug ruckt an und rollt langsam davon, während wir den Rückweg ins Lager antreten, wo wir nach einem kurzen Frühstück und einer Ruhepause erneut zu unserer Tagesarbeit antreten.

Ein russischer Natschalnik hat einen Gefangenen mit einem Knüppel derart geschlagen, dass er mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus gebracht werden muss. Immer dasselbe: Schläge und Schikanen.

Die Ablösung ist schon da, aber die alte Schicht muss weiter arbeiten, ohne zusätzliche Prozente, natürlich. Wir reagieren mit Betrug und Diebstahl. Einmal haben sie einen angeblich Kranken auf Brettern aus dem E-Werk getragen und die Bretter dann verkauft.

Wir sind auf dem Rückmarsch vom Arbeitsplatz zum Lager und marschieren gerade am Bahnhof vorbei. Da das Kopfsteinpflaster meine müden Beine plagt, gehe ich neben der Kolonne auf dem glatten Sandweg mit (der Sandweg ist der Bürgersteig). Auf dem Weg kommt mir ein russischer Offizier entgegen. Er hält mich an und bedeutet mir, dass ich in der Kolonne marschieren soll. Aber ich stelle mich dumm und tue, als ob ich ihn nicht verstünde. Da gibt er es auf und geht weiter. Ich auch, auf dem Sandweg natürlich.••• S. - Ende der Rückblende •••

Kirche Johannes Evangelist[1]

Jetzt ist es Winter, und wir arbeiten wieder im E-Werk. Auf dem Weg hierher kommen wir immer an einer Kirche vorbei, die auf der anderen Dnjepr-Seite am Südhang des Tales steht. Sie ist selbstverständlich geschlossen, und so steht sie etwas einsam auf dem freien, verschneiten Hang. Aber ihre vergoldeten Kuppeln, gekrönt von goldenen russischen Kreuzen, ragen strahlend und glänzend in den klaren blauen Winterhimmel.

In unserer Nähe arbeiten russische Strafgefangene. Sie laden Torf in die Loren. Ein Sergeant ihrer Wachmannschaft stößt mit einer spitzen Eisenstange in jede Torflore hinein, denn unter dem Torf könnte sich ein Gefangener versteckt haben, um zu fliehen.

Wir schleppen Koks. Er liegt in mannshohen schwarzen Bergen auf dem weißen Schnee. Wir schippen ihn in Körbe, die wir 50 m weitertragen und sie dort in Loren schütten. Von hier wird er an den Aufzug gefahren. Ein Teil unserer Brigade schippt die Körbe voll, ein anderer trägt sie zu den Loren. Heute nacht ist uns eine Frau zugeteilt, die offensichtlich eine Strafarbeit ableisten muss. Der russische Natschalnik ist sehr gehässig zu ihr. Sie scheint nicht sehr robust zu sein und macht ihre Arbeit stumm und demütig. Ich fülle ihr ein paarmal den Korb, und sie geht damit langsam zur Lore. Sie tut mir leid. Ich sage es zu Hans, aber der ist hart. „Jede russische Frau, die kaputt geht, bringt keine Russen mehr zur Welt!“ ist seine Antwort. Während wir uns zum Abendessen in ein kleines Gebäude zurückziehen, bleibt die Frau draußen in der Kälte sitzen. Wir haben kein Essen übrig, denn es ist kärglich genug. Aber ich gehe doch mal zu ihr hinaus. Sie hockt auf einem Korb und hat den Kopf in die Hand gestützt. Ich streichele ihr einmal über die Wange, aber sie reagiert nicht. Dann gehe ich zurück, denn der widerliche Natschalnik kommt schon wieder an. Am nächsten Tag kommt die Frau nicht mehr.

Die Atmosphäre im Lager bessert sich etwas. Max Gasmann, der Lagerleiter und Offizier-Hasser, gibt mir sogar die Hand. Ich glaube, die Nachrichten aus der Heimat und Berichte über beginnende Kameradenschinder-Prozesse zu Hause machen sie doch etwas nachdenklich. Unsoziale Brigadiere werden abgesetzt.


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  1. mit freuundlicher Genehmigung von Александр Захаров