9. März 1944
GEO & MIL INFO | ||||
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Reichenberg | ||||
Prag | ||||
Marienbad | ||||
Karlsbad | ||||
Eger | ||||
Regensburg | ||||
Lazarettzug 827[1] | ||||
H.San.Insp. | OKW/ |
Ich liege wieder im Lazarettzug[2]. Wir befinden uns schon auf Reichsgebiet. Im Augenblick übersteigen wir gerade die Sudeten. Die Landschaft ist winterlich kahl und trostlos. Der dunkle Erdboden mit den vereinzelten Schneeflächen sieht aus wie ein schmutziges Tuch, auf dem die entlaubten Bäume wie trockene Gerippe stehen. Dann rollt der Zug von den Höhen der Sudeten ins Böhmische Becken hinab. In Reichenberg hält der Zug zum ersten Mal, um Verwundete auszuladen. An der Rampe haben sich viele Schaulustige eingefunden. Sanitäter heben die Bahren aus dem Zug und stellen sie auf die Erde oder schieben sie gleich in die bereitstehenden Sankras. Rotkreuzschwestern laufen hin und her, bücken sich zu den Verwundeten, blicken in ihre Listen und sprechen mit den Sanitätern. Die Zivilisten nehmen herzlichen Anteil an den Verwundeten. Vor allem sind es Frauen und Mädchen, die von unseren weißen Binden und Gipsverbänden sichtlich beeindruckt sind. Das hebt unseren Stolz nicht wenig und ist Labsal für unsere Schmerzen.
Der Zug fährt weiter. Im Bogen umfahren wir Prag. Von steiler Höhe blicken wir auf die Stadt hinunter, die in den weiten Talkessel der Moldau eingebettet liegt. Das Frühjahrstauwetter hat die goldene Stadt ihres Glanzes beraubt, und die umliegende Landschaft mit ihren feuchten, braunen, kahlen Böden ist öde und unschön.
Marienbad – Karlsbad – Eger.[3] Überall halten wir, um Verwundete auszuladen. Ich frage den Transportarzt, ob ich hier in Eger nicht ausgeladen werden könnte. (Denn von hier aus nach Berlin wäre es nur ein Katzensprung!) Aber der Arzt macht mir keine Hoffnung. Zu viele bestürmen ihn jetzt mit Sonderwünschen. Jeder will möglichst nahe bei seiner Heimat untergebracht werden. Wenn der Arzt allen diesen Wünschen entsprechen wollte, käme er mit seinem Belegungsplan hoffnungslos durcheinander. Ich verstehe das und bedränge ihn nicht mehr. Die Vernünftigen geben immer nach und sind dabei oft die Dummen.
Nun rattert der Zug nach Süden und will überhaupt nicht mehr halten. Immer weiter entfernt er sich von Berlin. In Regensburg[4] hält er wieder. Wieder gehen die Krankenträger suchend durch die Waggons, heben hier und dort einen Verwundeten auf und bringen ihn auf den Bahnsteig. Auch dieses Mal bin ich nicht dabei. Nun ist mir schon alles egal. Weiter weg kann es ja kaum noch gehen. Ich lege mich bequem in mein Bett zurück und blicke durch das Fenster auf die vorüberhuschende Landschaft. Der Zug rattert in rasender Eile südwärts. Er scheint zu fliegen. Das rollende Klopfen der Räder wird von der Federung abgefangen und überträgt sich als wiegendes Schwingen auf mein Bett. Aber diesmal habe ich keine Freude an dem Tempo, denn es führt mich immer weiter von der Heimat fort. Es wird dunkel. Ermüdet vom vielen Gucken drehe ich mich zur Seite und schlafe ein.
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
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- ↑ gem. Soldbuch S. 21
- ↑ Lazarettzug 827 gem. Soldbuch S. 21
- ↑ Im Original erst Karlsbad, dann Marienbad; die Eisenbahnstreckenkarte legt eine andere Reihenfolge nahe.
- ↑ Im Original „Hof“, das aber nicht an der Strecke von Eger Richtung Süden liegt