1946/September/1: Unterschied zwischen den Versionen

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September 45. Russische Ärztin bekommt 5 Tage Bau ''(Arrest)'', weil sie mit deutschem Offizier im Bett lag. – Der Heldenfriedhof inLibau ist eingeebnet. In Nica steht er noch. – Deutscher Offizier, als Frau verkleidet, flieht mit einem lettischen Mädchen. Unterwegs wird das lettische Mädchen von Russen angehalten und belästigt. Der Deutsche wird nervös und flieht, wird dabei erschossen. Sein Grab wird von Letten gepflegt. Die Gräber von Gise<ref>Im Original „Giese“; vermutlich ist Oberst [[Freiherr Ernst August Maximilian Josef von Gise]] gemeint, Kommandeur der Gruppe Oberst von Gise (letzte divisionsrangige Kommandobehörde im letzten Stellungsraum des Autors), der am 08.05.1945 bei Bernati fiel.</ref> und Werthen (Werschem?) in Bernati von Letten gepflegt. – In der Rigaer Kirche (welche?) ist Gottesdienst. – In Windau klauen russische Posten und deutsche Plennis gemeinsam Bekleidung. – Königsberg, Weichsel- und Oderfront: Gefangene oder Verwundete, die nicht mehr laufen können oder schlapp machen, werden erschossen. – Mit Panzern in Gefangenenkolonne hinein zu fahren, war offenbar ein öfter geübtes Verbrechen. – Gefangenen werden die Filzstiefel ausgezogen; sie müssen barfuß weiterlaufen. – Immer wieder Vergewaltigung von Frauen. Ein 14-jähriges lettisches Mädchen. – Königsberg: 6 Landser und 2 RK-Schwestern, im Keller versteckt, von Russen entdeckt. Schwestern werden vergewaltigt. 2 Landser springen zu Hilfe, werden mit Bajonetten erstochen. Ostpreußen: In einem Raum 30 deutsche Frauen mit ausgestochenen Augen, abgeschnittenen Ohren und Nasen. Einer Frau haben sie einen Schirm in die Scheide gestoßen. – Aus Flüchtlingskolonnen Frauen herausgeholt und 5 m neben der Straße vergewaltigt.
 
  
(Eigene Hinzufügung: Aus der eigenen Verwandtschaft und Bekanntschaft wurden zwei Frauen von Russen vergewaltigt, d. h. von einer Gruppe von Russen.)
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Die kommunistische Welt feiert schon den zweiten Weltfriedenstag ''(01.09.1946)'', und wir sitzen immer noch hier als Kriegsgefangene. Aber ich will alle Unbilden der Gefangenschaft als Buße für meine vielen Verfehlungen ertragen.
  
Für 5 aus dem Lager Geflohene werden 10 Mann vor den Augen der Lagerbelegschaft erschossen. Die Frau von Alfons Kaletha (Kalescha) wurde vergewaltigt. – Lettische Offiziere werden schlechter behandelt, als deutsche. – Ein Waldkommando (deutsche Holzfällerbrigade) geht sonntags aufs Dorf zum Tanzen. Bauern gutmütig. Stadtbevölkerung stärker verhetzt. Ende der Berichte.
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Seit dem Lager Windau sind die Zustände in den Lagern, die ich inzwischen durchlaufen habe, von Lager zu Lager schlechter geworden. Die Lager-Atmosphäre hier in Smolensk unterscheidet sich wesentlich von der in Lettland. Dort war noch etwas vom europäischen Geist zu spüren (außer in Salaspils). Dort hat der Russe sich vielleicht angesichts der lettischen Bevölkerung noch etwas zurückgehalten. Hier in Smolensk ist reine russische Luft. Hier herrscht der Despotismus wie zur Zeit [[w:Iwan_IV._(Russland)|Iwans des Schrecklichen]], die bolschewistische Unkultur der Ausbeutung, Rechtlosigkeit und des Hasses. Hier sind wir nicht mehr in oder am Rande Europas, hier sind wir mitten in Russland.
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Zugegeben, wir bekommen das nicht täglich zu spüren. Wir haben zeitweilig angenehme Arbeitsbedingungen, freundliche Posten als Bewachung und oft rührende Beweise russischer Gutmütigkeit. Aber das lag an einzelnen Menschen im persönlichen Kontakt. Das war nicht das Verdienst des Systems. {{S|307}}In entscheidenden Augenblicken bekommen wir immer wieder unser Sklavendasein zu spüren. Auch die Sklaven Roms oder die amerikanischen Negersklaven wurden nicht dauernd ausgepeitscht, aber sie waren unfrei und rechtlos, Menschenware und Arbeitstiere, wie wir hier.
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Rührend und lächerlich zugleich ist manches im russischen Alltag. Formlos, geschmacklos, zuweilen pietätlos. Manches ist Nachkriegsarmut (Beerdigungsteilnehmer in Wattejacken). Sie haben oft nur eine einzige Bekleidungsgarnitur. Manches ist zum Lachen: Frauen in eleganten Morgenröcken auf der Straße oder gar im Theater. Frauen in braunen SA-Hemden. Alles in Deutschland geklaut. Nicht alles ist kulturlos. Die russische Durchschnittsfrau ist brav und hausbacken, und das ist wahrlich kein Fehler.
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Aktuelle Version vom 16. August 2021, 17:45 Uhr

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

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Die kommunistische Welt feiert schon den zweiten Weltfriedenstag (01.09.1946), und wir sitzen immer noch hier als Kriegsgefangene. Aber ich will alle Unbilden der Gefangenschaft als Buße für meine vielen Verfehlungen ertragen.

Seit dem Lager Windau sind die Zustände in den Lagern, die ich inzwischen durchlaufen habe, von Lager zu Lager schlechter geworden. Die Lager-Atmosphäre hier in Smolensk unterscheidet sich wesentlich von der in Lettland. Dort war noch etwas vom europäischen Geist zu spüren (außer in Salaspils). Dort hat der Russe sich vielleicht angesichts der lettischen Bevölkerung noch etwas zurückgehalten. Hier in Smolensk ist reine russische Luft. Hier herrscht der Despotismus wie zur Zeit Iwans des Schrecklichen, die bolschewistische Unkultur der Ausbeutung, Rechtlosigkeit und des Hasses. Hier sind wir nicht mehr in oder am Rande Europas, hier sind wir mitten in Russland.

Zugegeben, wir bekommen das nicht täglich zu spüren. Wir haben zeitweilig angenehme Arbeitsbedingungen, freundliche Posten als Bewachung und oft rührende Beweise russischer Gutmütigkeit. Aber das lag an einzelnen Menschen im persönlichen Kontakt. Das war nicht das Verdienst des Systems. ••• S. 307 •••In entscheidenden Augenblicken bekommen wir immer wieder unser Sklavendasein zu spüren. Auch die Sklaven Roms oder die amerikanischen Negersklaven wurden nicht dauernd ausgepeitscht, aber sie waren unfrei und rechtlos, Menschenware und Arbeitstiere, wie wir hier.

Rührend und lächerlich zugleich ist manches im russischen Alltag. Formlos, geschmacklos, zuweilen pietätlos. Manches ist Nachkriegsarmut (Beerdigungsteilnehmer in Wattejacken). Sie haben oft nur eine einzige Bekleidungsgarnitur. Manches ist zum Lachen: Frauen in eleganten Morgenröcken auf der Straße oder gar im Theater. Frauen in braunen SA-Hemden. Alles in Deutschland geklaut. Nicht alles ist kulturlos. Die russische Durchschnittsfrau ist brav und hausbacken, und das ist wahrlich kein Fehler.


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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen