Große Staatsprüfung für Regierungsvermessungsreferendare 1934: Unterschied zwischen den Versionen

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Nicht alle historischen Ereignisse sind gleich wichtig und gleichermaßen bekannt, aber gerade die weniger bekannten können einen gewissen Reiz bergen. So dürfte es nur noch den Ältesten unter uns erinnerlich sein, dass vor rund 75 Jahren eine Abart der vormili­tärischen Ausbildung speziell für Referendare erfunden wurde, nämlich ein sogenannter Lehrgang im [[w:Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“|Gemein­schafts­lager Jüterbog]].
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Nicht alle historischen Ereignisse sind gleich wichtig und gleichermaßen bekannt, aber gerade die weniger bekannten können einen gewissen Reiz bergen. So dürfte es nur noch den Ältesten unter den Vermessungsbeamten erinnerlich sein, dass 1934 eine Abart der vormili­tärischen Ausbildung speziell für Regierungsvermessungs{{w|referendar}}e erfunden wurde, nämlich ein sogenannter Lehrgang im [[w:Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“|Gemein­schafts­lager Jüterbog]].
  
 
Die {{w|Zeitschrift für Vermessungswesen}} (ZfV), Jahrgang 1934, gibt bereitwillig Auskunft über Soll und Ist, einerseits in Form des Erlasses des Preußischen Finanz­ministers vom 16. Februar 1934 (S. 126 f.) und andererseits in Form des Berichts von Woike (S. 459 ff.), der uns einige teils belusti­gende, teils nachdenklich stimmende Einzelheiten des damaligen Gemein­schafts­lebens vor Augen führt.
 
Die {{w|Zeitschrift für Vermessungswesen}} (ZfV), Jahrgang 1934, gibt bereitwillig Auskunft über Soll und Ist, einerseits in Form des Erlasses des Preußischen Finanz­ministers vom 16. Februar 1934 (S. 126 f.) und andererseits in Form des Berichts von Woike (S. 459 ff.), der uns einige teils belusti­gende, teils nachdenklich stimmende Einzelheiten des damaligen Gemein­schafts­lebens vor Augen führt.
  
Wie der Erlass anordnete und Woike bestätigend berichtet, schrieben die Kandidaten der zweiten Staatsprüfung der Vermessungsingenieure ihre Klausuren zusammen mit den [[w:Jüterbog#20._Jahrhundert|Justiz­referen­daren]] - später auch mit den Baurefe­rendaren - während einer sechs bis acht Wochen dauernden Unterbringung in Jüterbog, einer [[w:Jüterbog#19._Jahrhundert|traditions­reichen Armee-Ausbildungs­stätte]]. Wie man schon ahnt, wurden die Teilnehmer in militärische Formationen eingeteilt und auch entsprechend eingekleidet, d.h. uniformiert: „Knobelbecher, Affe<ref>Der „Affe“ war der {{w|Tornister}} der Soldaten bis zum 2. Weltkrieg. Er hieß im Volksmund Affe, weil er ein braunes Fell an der Außenseite hatte, das wohl an ein Affenfell erinnerte.</ref>, Koppel nebst Brotbeutel und der >Erbhofhut<“ finden bei Woike Erwähnung. Eine unmittelbare Examens­vorberei­tung war nicht erlaubt! Frühsport, Appell, Gelände­ausbildung, Arbeitsdienst, Sport und Schulungs­vorträge füllten den Tag und führten dazu, dass das Klausuren­schreiben - obwohl offizieller Kernpunkt - als die unerfreu­lichste aller Lager­begeben­heiten empfunden werden konnte. Ob unsere Vorfahren dort wirklich (wenigstens) etwas für’s Leben lernten, sei dahingestellt. Der Leser möge selbst urteilen, wenn er vom „Organisieren“ fehlender Gegenstände liest, vom Abendessen „oft ohne vorheriges Waschen“, von Marsch­liedern, für die dem Drucker „die Typen fehlen“.
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Wie der Erlass anordnete und Woike bestätigend berichtet, schrieben die Kandidaten der zweiten {{w|Staatsprüfung}} der [[w:Geodät|Vermessungsingenieure]] ihre Klausuren zusammen mit den [[w:Jüterbog#20._Jahrhundert|Justiz­referen­daren]] - später auch mit den Baurefe­rendaren - während einer sechs bis acht Wochen dauernden Unterbringung in Jüterbog, einer [[w:Jüterbog#19._Jahrhundert|traditions­reichen Armee-Ausbildungs­stätte]]. Wie man schon ahnt, wurden die Teilnehmer in militärische Formationen eingeteilt und auch entsprechend eingekleidet, d.h. uniformiert: „[[w:Deutsche_Kampfstiefel#Marschstiefel|Knobelbecher]], [[w:Tornister|Affe]], [[w:Gürtel#Einsatzgürtel|Koppel]] nebst {{w|Brotbeutel}} und der >Erbhofhut<“ finden bei Woike Erwähnung. Eine unmittelbare Examens­vorberei­tung war nicht erlaubt! Frühsport, Appell, Gelände­ausbildung, Arbeitsdienst, Sport und Schulungs­vorträge füllten den Tag und führten dazu, dass das Klausuren­schreiben obwohl offiziell der Kernpunkt als die unerfreu­lichste aller Lager­begeben­heiten empfunden werden konnte. Ob meine Berufsvorgänger dort wirklich (wenigstens) etwas für’s Leben lernten, sei dahingestellt. Der Leser möge selbst urteilen, wenn er vom „Organisieren“ fehlender Gegenstände liest, vom Abendessen „oft ohne vorheriges Waschen“, von Marsch­liedern, für die dem Drucker „die Typen fehlen“.
  
Woike gesteht ein, dass Jüterbog eine Welt für sich ist, und bittet quasi um Nachsicht. Aus heutiger Sicht ist die Lagerunterbringung sicherlich nicht nur eine verschärfte Form der Klausur. Zusammen­ziehungen zu Lehrgängen gibt es zwar - unter zivili­sierteren Bedingungen - auch heute. Landmesser sind auch im allgemeinen recht boden­ständige Menschen, die sich zumindest vor Unwetter, Schmutz und Umständen nicht fürchten. So mag sich die mit dieser Maßnahme verbundene Zumutung für damalige Verhältnisse in Grenzen gehalten haben. Aber das Ziel war seinerzeit eben doch die vormili­tärische Ausbildung und ideologische Ausrichtung als das politisch Genehme, das lediglich mit dem Nützlichen, der Klausur verbrämt wurde.
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Woike gesteht ein, dass Jüterbog eine Welt für sich ist, und bittet quasi um Nachsicht. Aus heutiger Sicht ist die Lagerunterbringung sicherlich nicht nur eine verschärfte Form der Klausur. Zusammen­ziehungen zu Lehrgängen gibt es zwar unter zivili­sierteren Bedingungen auch heute. Landmesser sind auch im allgemeinen recht boden­ständige Menschen, die sich zumindest vor Unwetter, Schmutz und Umständen nicht fürchten. So mag sich die mit dieser Maßnahme verbundene Zumutung für damalige Verhältnisse in Grenzen gehalten haben. Aber das Ziel war seinerzeit eben doch die vormili­tärische Ausbildung und ideologische Ausrichtung als das politisch Genehme, das lediglich mit dem Nützlichen, der Klausur verbrämt wurde.
  
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(2008 als Beitrag für die ZfV verfasst.)
  
 
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Aktuelle Version vom 13. Oktober 2024, 12:07 Uhr

Nicht alle historischen Ereignisse sind gleich wichtig und gleichermaßen bekannt, aber gerade die weniger bekannten können einen gewissen Reiz bergen. So dürfte es nur noch den Ältesten unter den Vermessungsbeamten erinnerlich sein, dass 1934 eine Abart der vormili­tärischen Ausbildung speziell für Regierungsvermessungsreferendare erfunden wurde, nämlich ein sogenannter Lehrgang im Gemein­schafts­lager Jüterbog.

Die Zeitschrift für Vermessungswesen (ZfV), Jahrgang 1934, gibt bereitwillig Auskunft über Soll und Ist, einerseits in Form des Erlasses des Preußischen Finanz­ministers vom 16. Februar 1934 (S. 126 f.) und andererseits in Form des Berichts von Woike (S. 459 ff.), der uns einige teils belusti­gende, teils nachdenklich stimmende Einzelheiten des damaligen Gemein­schafts­lebens vor Augen führt.

Wie der Erlass anordnete und Woike bestätigend berichtet, schrieben die Kandidaten der zweiten Staatsprüfung der Vermessungsingenieure ihre Klausuren zusammen mit den Justiz­referen­daren - später auch mit den Baurefe­rendaren - während einer sechs bis acht Wochen dauernden Unterbringung in Jüterbog, einer traditions­reichen Armee-Ausbildungs­stätte. Wie man schon ahnt, wurden die Teilnehmer in militärische Formationen eingeteilt und auch entsprechend eingekleidet, d.h. uniformiert: „Knobelbecher, Affe, Koppel nebst Brotbeutel und der >Erbhofhut<“ finden bei Woike Erwähnung. Eine unmittelbare Examens­vorberei­tung war nicht erlaubt! Frühsport, Appell, Gelände­ausbildung, Arbeitsdienst, Sport und Schulungs­vorträge füllten den Tag und führten dazu, dass das Klausuren­schreiben – obwohl offiziell der Kernpunkt – als die unerfreu­lichste aller Lager­begeben­heiten empfunden werden konnte. Ob meine Berufsvorgänger dort wirklich (wenigstens) etwas für’s Leben lernten, sei dahingestellt. Der Leser möge selbst urteilen, wenn er vom „Organisieren“ fehlender Gegenstände liest, vom Abendessen „oft ohne vorheriges Waschen“, von Marsch­liedern, für die dem Drucker „die Typen fehlen“.

Woike gesteht ein, dass Jüterbog eine Welt für sich ist, und bittet quasi um Nachsicht. Aus heutiger Sicht ist die Lagerunterbringung sicherlich nicht nur eine verschärfte Form der Klausur. Zusammen­ziehungen zu Lehrgängen gibt es zwar – unter zivili­sierteren Bedingungen – auch heute. Landmesser sind auch im allgemeinen recht boden­ständige Menschen, die sich zumindest vor Unwetter, Schmutz und Umständen nicht fürchten. So mag sich die mit dieser Maßnahme verbundene Zumutung für damalige Verhältnisse in Grenzen gehalten haben. Aber das Ziel war seinerzeit eben doch die vormili­tärische Ausbildung und ideologische Ausrichtung als das politisch Genehme, das lediglich mit dem Nützlichen, der Klausur verbrämt wurde.

(2008 als Beitrag für die ZfV verfasst.)