Donnerstagsvorträge

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Die Donnerstagsvorträge sind eine Vortragsreihe der Hombrucher Sprach- und Heimatfreunde, in der namhafte externe und interne Referenten und Referentinnen zu verschiedenen historischen und brauchtumskundlichen Themen vortragen.

Hier finden Sie eine Liste aller neueren Vorträge mit Zusammenfassungen. Ältere Beiträge werden noch nachgetragen.

Bisherige Vorträge

Die Zahl in der westfälischen Volksweisheit

Dr. Werner Beckmann, Bochum, 06.09.2018

Mit den Zahlen ist es ähnlich wie mit der Sprache: Das menschliche Wesen kommt ohne sie nicht aus: Die Eins weist auf das Individuum, die Zwei ist in der Natur vielfach vertreten: Paarweise Körperteile wie Augen, Ohren, Hände, Füße, das biologische Paar, das zur Erhaltung der jeweiligen Gattung notwendig ist, die Gegensätze, die paarweise auftreten wie Tag und Nacht, Vater und Mutter, gut und schlecht, klug und dumm. Die Drei ist die Zahl der Absoluten Vollkommenheit: Drei Dimensionen des Ortes: Höhe, Breite, Tiefe; drei Dimensionen der Zeit: Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft; Genese der Familie und damit Sicherung des Fortbestands der jeweiligen Gattung durch Vereinigung des Weiblichen mit dem Männlichen und Geburt der Nachkommenschaft. Die Vier erscheint lokal in den vier Wänden, temporal in den vier Wochen des Monats. Die zehn Finger und die zehn Zehen haben wahrscheinlich grundlegend am Dezimalsystem mitgewirkt. Eine besondere Stellung nimmt die Zahl Zwölf ein: Das Jahr hat zwölf Monate, der Tag hat zwei mal zwölf Stunden. Wird dieser Zwölfer-Ordnung noch eins dazugefügt, so zerbricht diese Ordnung, und es schlägt dreizehn.

Vor allem wie die Zahlen im westfälischen Volksmund verankert sind, soll in diesem Vortrag erörtert und beleuchtet werden Dabei kommt dann auch die westfälische Sprache zur Geltung: das Niederdeutsche (Plattdeutsche).

Bis der Baum brennt: Westfälische Bräuche im Winter

Ralf Konecki, Dortmund, 11.10.2018

„Es ist etwas Schönes … in den alten Bräuchen, schon in der Verknüpfung mit der Vergangenheit, in der Erinnerung an die, welche uns die Sitte überlieferten,“ meinte schon Vinzenz Jakob von Zuccalmaglio, genannt Montanus (1806-1876), und Heinrich Schauerte ergänzte: „Es ist darum der Mühe wert, die Bräuche, die in unserem Sauerland heimisch waren und noch sind, zu sammeln, und das erst recht, weil in den letzten Jahrzehnten infolge … der Fortschritte der Technik … auch hier manche der alten Gewohnheiten geschwunden sind … Gesetzesvorschriften früherer Jahrhunderte haben unter den alten Volksbräuchen Auskehr halten wollen … auch die Osterfeuer sollten in einer materialistisch gerichteten Zeit schon einmal sterben, weil sie Holz verzehrten und feuergefährlich seien … Im Jahre 1717 erging gar für das Herzogtum Berg ein Verbot der Maikönigswahl, weil der Landesherr solch grüne Potentaten nicht neben sich dulden wollte.“ -

Viele Bräuche der Winterhälfte sind heute noch in Westfalen und im Stadtbezirk Hombruch lebendig, andere sind zu unrecht in Vergessenheit geraten. Wir stellen die schönsten Bräuche der Winterhälfte bis zum Osterfest vor. Ein Brauch soll nach dem Vortrag zu neuem Leben erweckt werden. Wer den plattdeutschen Satz nachsprechen kann: „Gilleke leevet nog!“ („Gilleke lebt noch!“) kann dabei mithelfen.

Was war wirklich los in Kalkriese?

Dr. Helmut Förster, Essen, 08.11.2018

Tacitus berichtet in seinen Annalen über die Rachefeldzüge des Germanicus in Germanien. Im Jahre 16 n. Chr. erreicht er mit seinen Legionen auf seinem Rückzug von der Weser zur Ems einen „schmalen Durchlass zwischen Bergwald und Moor“ - am Rande des heutigen Wiehengebirges - das Moor ist inzwischen trockengelegt. Diese unverwechselbare topographische Situation läßt sich so nur in der Gegend um Kalkriese finden. Die engste Stelle (hinweisend der Ort Engter!) ist noch dazu von einem Wall gesperrt - genau wie es Tacitus berichtet. Es ist der Grenzwall zwischen Cheruskern und Angrivariern. Diese waren 16 n. Chr. von Rom abgefallen, um nun gegen Germanicus, Nachfolger und Rächer des besiegten Varus, anzukämpfen.

16 n. Chr. hat sein Rückweg zur Ems ihn wohl zwangsläufig hierhin geführt. Er hatte vorher einen Teil seiner Truppen durch den Wald geschickt, so dass er auch von hinten angreifen konnte, während er selbst „an der Spitze seiner Prätorianerkohorten einen Wall erobert…“ (Tacitus, Annalen II: 19,20). Allerdings nur mit Mühe, denn sein Wagen mit seiner persönlichen Ausrüstung gerät unter den einstürzenden Wall. Ein wohl insgesamt nur knapper Sieg, denn Augustus beruft ihn ab und stoppt alle weiteren Militäraktionen in Germanien. Ein Jahr zuvor hatte Germanicus noch erfolgreich das Varus-Schlachtfeld besucht und „die Überreste von seinen drei Legionen“ in einem Tumulus würdevoll bestattet - expressis verbis auf dem „Campus“ eines noch ziemlich intakten römischen Lagers. („Prima Vari castra“ - das Hauptlager, denn er befehligte genau 3 Legionen). In Kalkriese konnten dies nicht bestätigt werden, dafür fand man die Reste eines großen Trosses, der allerdings gar nicht zu Varus passen kann, denn der hatte seinen Tross bereits am ersten Abend der Schlacht verbrannt (C.Dio).

Unter den Funden in Kalkriese waren auch Schleuderbleie, die ausschließlich nur von Germanicus-Legionären stammen können, ebenso die dazu passenden Legionsbezeichnungen (auf einem Mundblech „LPA - Legio Prima Augusta“, eine eindeutige Germanicus-Legion. Weiterhin belegen die Augurenstäbe (Rangabzeichen eines Oberpriesters) eindeutig die Anwesenheit des Germanicus, denn nur er war Augur im Gegensatz zu Varus! Alles spricht also für eine Schlacht, an dem ausschließlich Germanicuslegionen beteiligt waren. Darum handelt es sich in Kalkriese um ein Schlachtfeld aus der Schlußphase des Rachefeldzuges des Germanicus, am ehesten um die „Schlacht am Angrivarierwall“! Das wirkliche Varus-Schlachtfeld harrt also weiter der Entdeckung.

Hat Hombruch eine vorsächsische Geschichte?

Heribert Reif, Deutsche Dendrologische Gesellschaft, Kamen-Heeren, 29.11.2018

Die Geschichte vom historischen Westfalen (heute nur ein Teil von Nordrhein-Westfalen), und Gebiet entlang des Hellweges, wird allgemein mit der vom Norden eindringenden sächsischen Besiedlungswelle um 360 und dann weitgehend um 700 n. Chr. verstanden. Aber was gab es davor? Bringen uns baumkundliche Untersuchungen in der Kulturverwendung von Bäumen, Antworten auf diese Frage, ob es eine vorsächsische Geschichte gab?

Durch baumkundlich-historische Studien an den romanischen Dorfkirchen in Verne bei Paderborn und Flierich bei Bönen kommt der Referent zu dem Ergebnis, dass die geschichtliche Entwicklung in der Vor- oder Frühkarolingischen Zeit anders verlief als allgemein im Geschichtsverständnis der nordrhein-westfälischen Menschen angenommen und in neueren Kirchenführer und Heimatbüchern veröffentlicht. Darin wird ein viel zu großer Wirkungsgrad den alten Germanen eingeräumt, eine Volksgruppe die wohl kaum so homogen, in einen so großen zugedachten Lebensraum möglich war. Der Referent weist vielmehr nach, dass es nicht nur eine Besiedlung aus dem Norden durch die sogenannten Sachsen gab, sondern, dass eine viel frühere Besiedlung des Hellwegraumes von Aachen bis zum Harz vielmehr aus dem Südwesten erfolgte. Diese These ist besonders beeinflusst durch die Veröffentlichungen von Prof. Eugen Ewig in Paris und Bonn und die Arbeiten von Henry Sutter aus Genf, bzw. die vom Referenten durchgeführten baumkundlichen Studien in der Schweiz und Ostfrankreich. Dieser Vortrag wurde im Juni 2018 im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund vor der Gesellschaft für Archäoastronomie veröffentlicht.

Besonders die Eiche und die Linde, speziell die aus Südosteuropa stammende Sommerlinde sind Indikatoren dieser Siedlungsnachweise, die nicht von den Germanen in unserem Gebiet eingeführt und genutzt wurde, sondern durch die frühe Christianisierung von Ur-Burgund aus, eine Region im heutigen östlichen Frankreich und der französischen sprechenden Westschweiz. Hierbei spielt die Entwicklung der auswandernden Salgermanen, deren neuen Gebiets-Gründungen in Belgien und um Paris. Die daraus entstandenen Franken als frühe Merowinger, in späterer Fusion mit den „Burgundischen Gebieten“ und deren Königstiteln führte dann zur europäischen Klostergründungszeit, dies weit vor den Karolingern mit Karl dem Großen.

Die Verbindung der Linde mit der germanischen Göttin Freya stellt sich als Legende heraus und der Wissenschaft wird empfohlen diese Thesen nicht mehr in Darstellungen zu publizieren und sich nicht von Moderichtungen der Esoterik und falsch verstandenen Baumheilkunde beeinflussen zu lassen.

Bildung für Mädchen? Nein Danke! Widerstände gegen die Mädchenbildung im 19. Jahrhundert

Ein Menschenrechtsthema

Brigitte Leyh, Dortmund, 10.01.2019

Die heutige Gender-Forschung sieht die Ursachen für die Benachteiligung der Frauen in den diskriminierenden gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Mädchen aufwachsen und berufstätig werden. Die „gläserne Decke“ hindert Frauen oft daran in Leitungspositionen aufzusteigen und mehr Einfluss zu gewinnen. Die Familienarbeit bleibt immer noch in viel zu großem Maße ihr Ressort.

Der Blick in die Geschichte des für die Aufteilung der Geschlechter wichtigen 19. Jh. zu sog. Kennern der „Natur der Frau“ und ihrer „Bestimmung“ wie Goethe und Humboldt - ist sowohl amüsant als auch mehr als aufschlussreich. Die Erinnerung an den damaligen starken männlichen (Experten)Widerstand gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen soll daran erinnern, wie viel inzwischen erreicht ist. Gleichzeitig dürfte den Zuhörerinnen von 2018 einiges bekannt vorkommen…

Wie spricht Hombruch? Erfassung der sprachlichen Vielfalt im Dialektatlas Mittleres Westdeutschland

Lisa Glaremin, M.A., Institut für Germanistik der RFWU Bonn, 07.02.2019

Hombrucher Stimmen für die Ewigkeit

„Wird in ihrem Ort noch Mundart gesprochen?“ fragt Lisa Glaramin. „Dann würden wir – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland“ - gern mehr darüber erfahren.“ Lisa Glaramin möchte das neue Sprachprojekt vor Ort vorstellen und erläutern. Die regionalen Mundarten sollen erforscht, bewahrt und öffenlicht zugänglich gemacht werden. Das Erhebungsgebiet erstreckt sich über ganz Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen des Projekts befragen Sprachforscher der Universitäten Bonn, Münster, Paderborn und Siegen Mundartsprecher in zahlreichen Orten zu ihrer Sprechweise. Die Ergebnisse werden in „sprechenden“ Karten im Internet verfügbar gemacht. So kann jeder Interessierte per Mausklick sehen und hören, wie man wo im Erhebungsgebiet spricht. Rudi Zenses, Jahrgang 1923, aus Wellinghofen ist einer der ersten, der die Befragungen zur Mundart schon erfolgreich beantwortet hat. Seine Stimme wird „quasi für die Ewigkeit“ bald per Mausklick von den nachfolgenden Generationen im Internet zu hören sein. Übrigens: Lisa Glaramin sucht weiterer Mundartsprecher aus dem Dortmunder Süden. Interessierte können die Sprachforscherin, die im Sauerland geboren wurde, beim Vortrag kennenlernen. Sie steht nach dem Vortrag auch für Fragen zur Verfügung.

Der Überfall auf die Marser im Jahr 14 und das Heiligtum der Tanfana

Karl H. Schulze, Heimatforscher, Dortmund, 14.02.2019

Die Göttin Tanfana und ihr verschwundenes Heiligtum

Zum Herbstfest des Jahres 9 n. Chr., ausgerechnet auf des Kaisers Geburtstag, fügten die Germanen unter Führung des Cheruskerfürsten Arminus dem römischen Feldherr Varus in Ostwestfalen eine schwere Niederlage bei. Davon sollte sich Kaiser Augustus nicht mehr erholen. Er verbot den sonst üblichen Rachefeldzug im Folgejahr. Dieser kam erst nach dem Tode des Kaisers im Spätherbst des Jahres 14 n. Chr. zu Stande. Bei ihrem Herbstfest der im heutigen Westfalen siedelnden Marser überraschte Germanicus die feiernden Germanen und ließ wahllos die Gäste töten. Dabei wird das berühmte Heilgtum der Göttin Tanfana dem Erdboden gleichgemacht, wie Tacitus berichtet.

Seit Generationen wird dieses Heiligtum von Heimatfreunden und Archäologen gesucht. Es wird im Westen bei Haltern und Essen, im Osten bei den Bruchhauser Steinen und den Externsteinen vermutet. Dortmunder Presseartikel aus den 1960er und 1970er Jahren zeigen aber, dass viele Heimatforscher das verschwundene Heiligtum an der mitteleren Ruhr im Großraum Dortmund verorten. Neben den Angaben des Tacitus können vor allem archäologische Befunde, Flurnamen, Sagen und andere Überlieferungen weiterhelfen, dieses Rätsel endlich einmal zu lösen.

Die Hombrucher Sprach- und Heimatfreunde haben fünf Referenten eingeladen, die sich im Laufe des Jahres mit dieser Frage beschäftigen. Den Anfang macht der Dortmunder Karl H. Schulze.

Eisenbahnbilder aus Barop

Winfried Schrödter, Eisenbahnfreunde Barop, 14.03.2019

Kurzvortrag im Rahmen des Donnerstagstreffens: Es wurden Bilder vom früheren Bahnhof Barop und von vielen Zügen auf der Strecke gezeigt.

Bäume in Mythologie und Kunst

(Ausstellungseröffnung mit Bildern von Bianca Kurz)

Ralf Konecki (Festvortrag) und Winfried Schrödter (Einführung in Leben und Werk der Künstlerin), 11.04.2019

Bianca Kurz (1958-2013) war eine Kölner Malerin und Schriftstellerin. Als sie mit elf Jahren wegen einer Blinddarmoperation im Krankenhaus lag, hat sie sich auf zehn Bildern vom Krankenhausleben den Stress von der Seele gemalt. Von da an hat die Kunst sie nicht mehr losgelassen.

Neben künstlerischen Arbeiten mit verschiedenen Materialien widmete sich Bianca Kurz bevorzugt der Malerei. Dabei malte sie früher überwiegend Aquarelle oder Deckfarben in Aquarell-Technik, die sie meist mit Tusche kombinierte. Im neuen Jahrtausend hatte sie sich der Acrylmalerei zugewandt. Ihr Stil ist dabei oft naiv-fröhlich, häufig expressionistisch-symbolistisch, teilweise aber auch impressionistisch. Ein zentrales Motiv ihrer frühen Schaffensphase war der Baum, der in vielen ihrer Bilder thematisiert wurde.

Im Laufe ihres Künstlerlebens hat Bianca Kurz an zehn Gemeinschaftsausstellungen teilgenommen, die meisten davon mit dem Kölner Malerkreis, und fünf eigene Ausstellungen gezeigt. Diese, die durch freundliches Entgegenkommen der Gastronomie "Zum Muskelkater" ermöglicht wurde, wäre die sechste.

Bianca Kurz hat auch schon früh angefangen zu schreiben. Es begann mit Aufsätzen für die Kinderseite der Tageszeitung. Eine Zeitlang schrieb sie Gedichte, die z. T. veröffentlicht wurden. Ihre Autobiographie konnte sie nicht mehr vollenden.

Wildkräuter, Heilkraft aus der Natur

(mit Beispielen und Proben)

Andrea Hirsch, Waldpädagogin und Kräuterfrau aus Dortmund-Schönau, 09.05.2019 (19 Uhr)

Die existentielle Bedeutung der Kräuter und Wildblumen für Mensch und Tier erlebt derzeit größte Aufmerksamkeit. Auch das Wissen um wilde Heilkräuter ist gefragter denn je. Kräuter spielten bereits in der Antike, aber auch in der westfälischen Jungsteinzeit eine bedeutende Rolle. Manche in Vergessenheit geratene Rezepte und Behandlungsmethoden werden im Lichte der modernen Wissenschaft neu bewertet. Gerade die oft abfällig als Unkraut bezeichneten Kräuter könnten für die Gesundheit des Menschen segensreich wirken. Die Referentin, Waldpädagogin und "Kräuterfrau" Andrea Hirsch, führt in ihrer unterhaltsamen Art und Weise für jedermann verständlich in die Geheimnisse der Kräuterkunde ein. Dabei dürfen die von ihr vorgezeigten Kräuter mit allen Sinnen wahrgenommen werden, also nicht nur angeschaut, sondern auch berochen und geschmeckt werden.

Pferde im Bergbau

(mit Filmaufnahmen)

Ludwig Bücking, Dortmund-Hombruch, 13.06.2019

Hundert Pferde schuften unter Hombruch

Die Fähigkeit, sich anzupassen und unter härtesten Bedingungen zu arbeiten, ließen das Pferd über Jahrtausende zu einem zuverlässigen, starken Helfer des Menschen werden. Wie die Römer nutzten auch die alten Bergleute in unserer Region Pferde über Tage zum Antrieb von hölzernen Windwerken, um Grubenwasser und Kohlen aus den Schächten zu heben. Bei der schlechten Infrastruktur am Ende des achtzehnten Jahrhunderts gab es zum Packpferd kaum eine Alternative beim Transport der Kohlen zum Verbraucher. Im Ruhrgebiet kamen Pferde erstmals 1853 zum Ziehen von Kohlenwagen auf den Essener Zechen Amalie und Victoria Matthias nach untertage. Bis 1882 hatten 2200 Pferde 15000 Förderleute, die „Schlepper“, ersetzt. Für die Zechenbesitzer hatte der Einsatz der Tiere in vielfacher Hinsicht Vorteile. Pferde waren erheblich leistungsfähiger und billiger als die schwer zu disziplinierenden Schlepper. Alle großen Streiks gingen von Schleppern aus. Diesen jungen, kräftigen, vielfach unverheirateten Männer, die von weither ins Ruhrgebiet kamen, war es egal, nach einem Streit Arbeitsplatz und Wohnung zu verlieren. Fanden sie doch auf anderen Schachtanlagen, wenn nicht in Dortmund, dann eben in Bottrop schnell wieder Arbeit. Die Schachtanlagen mieteten die Grubenpferde bei speziellen Verleihfirmen, da sie keine Fachleute für die Beschaffung und Versorgung bereitstellen wollten. Größter Pferdeverleiher war die Firma Bischoff. Zur Blütezeit standen in ihren Ställen in Gelsenkirchen 6000 Pferde. Beim Studium der Verleihverträge und der Schichtenzettel – Pferde wurden von den Steigern wie Bergleute geführt – sind Parallelen zu den heutigen Zeitarbeitsfirmen unübersehbar. Kleine leistungsfähige Lokomotiven begannen nach dem Ersten Weltkrieg die Grubenpferde zu verdrängen. 1905 arbeiteten unter Hombruch mehr als hundert Pferde; die letzten fünf wurden 1955 auf der Zeche Gottessegen in Pension geschickt.

Mit Hilfe von Filmen, Bildern und Grafiken zeichnet der Vortrag die Geschichte der Grubenpferde und ihren Alltag unter Tage nach.

Plattdeutsches Liedgut

Dr. Werner Beckmann, Mundartarchiv Sauerland, 11.07.2019

Früher, als das Singen in den Schulen noch regelmäßig gepflegt wurde, lernte man zahlreiche deutsche Volkslieder kennen – natürlich in hochdeutscher Sprache. Aber auch in niederdeutscher Sprache – also im Plattdeutschen - gibt es zahlreiche Lieder, die teilweise auch in hochdeutscher Übertragung allgemein bekannt geworden sind. Eines der berühmtesten Lieder davon ist „Ännchen von Tharau“, das ursprünglich als Liebeslied von einem Simon vom Dach in Ostpreußen in seiner Mundart gedichtet wurde: „Anke von Tharaw öß de my geföllt“. Vor allem Lieder lustigen Inhalt sind bis heute erhalten, so „O Hannes, wat en Haut“ (O Johannes, was für ein Hut), oder „Wann hier en Pott met Bauhnen stäiht“ (Wenn hier ein Topf mit Bohnen steht). Viele plattdeutsche Lieder stammen aus dem Norden Deutschlands, sind aber im gesamten niederdeutschen Sprachraum bekannt geworden, so der „Burlala“ oder „Greitken, komm doch maol an’t Finster“ (Grete, komm doch mal als Fenster). Besondere Beachtung verdienen die Brauchtums- und Kinderlieder, von denen im niederdeutschen Sprachraum viele existieren.

Nicht zu vergessen sind auch Trink- und Scherzlieder, die manchmal recht derb ausfallen.

Weil das Plattdeutsche als lebendige Umgangssprache immer mehr zurückgeht, wird auch deren Liedgut immer weniger bekannt sein. Dieses Liedgut an ausgewählten Beispielen (wieder) bekannt zu machen, ist das Ziel des Vortrags.

Wo lag das Heiligtum der Tanfana?

Offene Gesprächsrunde

Ralf Konecki, Dortmund, 12.09.2019

Wie alte Presseberichte zeigen, haben Generationen von Dortmunder Heimatfreunden sich mit der Frage nach dem Ort des rätselhaften westfälischen Heiligtums der Göttin Tanfana/Tamfana beschäftigt. In einem Kurzvortrag wird die einzige Quelle vorgestellt und von Fachleuten und interessierten Zuhörern diskutiert.

Ein neues augusteisches Marschlager bei Bielefeld

Dr. Bettina Tremmel, 10.10.2019

Die Vortragende ist Archäologin und wissenschaftliche Referentin für provinzialrömische Archäologie beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster. Sie leitet unter anderem die aktuelle Ausgrabung des neu entdeckten römischen Marschlagers bei Bielefeld. Die Entdeckung ergab sich, wie zuvor auch beim neu entdeckten Lager in Olfen, aus einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen interessierten Laienforschern und der zuständigen Archäologie. Die Bedeutung der wissenschaftlich erfassten neuen Lager liegt darin, dass damit das westfälische Wegenetz der Römer zur augusteischen Zeit, also um die Zeitenwende, ergänzt und nun zuverlässiger rekonstruiert werden kann. Mit einer verbesserten archäologisch begründeten Ausgangslage lassen sich auch die von Tacitus beschriebenen Heerzüge des Germanicus zwischen 14-16 n. Chr. genauer überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Denn immerhin zerstörte der römische Feldherr im Jahre 14 das rätselhafte Heiligtum der Göttin Tamfana und besuchte im Jahre 15 das Schlachtfeld der Varusniederlage.

Pressemitteilung zum Thema

Mitglieder der Hombrucher Sprach- und Heimatfreunde besuchten Dr. Bettina Tremmel bereits am 21. September 2017 in Haltern anläßlich der Ausstellung „Triumph ohne Sieg“ und hatten sich vor Ort von ihr auf den neuesten Stand der Ausgrabung des Lagers in Haltern bringen lassen. Dazu gibt es hier einen Bericht.

Zur Entstehung der mittelalterlichen Waldweide - Gab es vor den "Alten Wegen" im Hellwegraum die Transhumance?

Heribert Reif, 14.11.2019

Der Kontakt alter Völker und ihrer Wanderungen, außer der Benutzung der Meere und Flüsse, muss über den Landbereich erfolgt sein, aber wie stellen wir uns diese frühe Form vor und welche Beweise gibt es zu solchen Annahmen!  Bewegungen in südliche Regionen über Trier, Köln, Bonn u. anderen Orten, quer durch das Sauerland, vielleicht entlang der Täler der Königsstraße in Richtung Brilon, Paderborn und weiter nach Norden, könnte eine Folge der „Transhumance“ von Hirtenvölkern sein, die mit Ihren Viehherden jahreszeitlich wechselten, um ausreichende Nahrung für die Tiere zu erhalten und um eine im Winter möglichst frostfreie Überwinterung im Süden zu erreichen. Dazu bedurfte es einer Orientierung mittels landschaftlicher Marken oder auch der Orientierung mit Hilfe des Sternenhimmels.

Vertiefende Hinweise zum Gedanken der Transhumance

Noch in unserer jüngeren Zeit beschlossen häufig zu Michaelis oder Michaeli am 29. September die Lehenträger mit ihren Bauern oder Hirten das Wirtschaftsjahr, was später auf den 11. November zu St. Martin verschoben wurde, wobei dadurch der gebende und teilende Anspruch im Reichtum der Ernte wichtig wurde. Westlich des italienischen Lago Maggiore, am Lago d’Órta (Ortasee), trafen sich 11.November auf der Insel St.Julien, die mittelalterlichen  Walser-Hirten, um die neuen Weiderechte unterschiedlicher Gebiete zu verhandeln, ein Hinweis auf die frühere Transhumance von Gebieten nördlich der Alpen zu den Weideflächen der Südalpen und der vorgelagerten Po-Ebene.

Bei Wernicke reichen diese Spuren einer Transhumance bis in die Keltenzeit zurück! Historischen Hirtengruppen waren die Bildungsspitzen dieser alten Zeiten, waren astronomisch geschult wie ein Kapitän auf hoher See und konnten sich orientieren, immer auf der Suche nach neuen Futterplätzen für ihre riesigen Herden. Diese Hirtenwanderungen nennt man Transhumance – die friedliche Wanderung über Grenzen ohne Waffen und Kriege.

Sie wurde sicherlich auch hier in Westfalen bis in Gebiete von Südfrankreich,  über die Alpen, oder entlang der Donau nach Ungarn oder über den Balkan betrieben. Heute ist die Transhumance nur noch mit Schafherden in Spanien und Italien bekannt, oder wird als Teil des herbstlichen Auf- und Abtriebes der Kühe und Pferde in den Alpen betrieben. Ca. 1900 wurden noch Rinder von Franken (Nürnberg) in Richtung   Donau, über das Wiener Becken nach Ungarn getrieben (Quelle Palmüller). Viele der jungen Hirten blieben nach Ende diese Touren in Ungarn wohnen und wurden 1945 wie alle Reichsdeutschen vertrieben. Um 1900 trieben auch italienische Hirten Schafherden über die Hochebenen der Abruzzen  (Quelle: Familie Silla; Scanno). Meiner Meinung nach sind Landschaften in Deutschland, die noch um 1945 ziemlich baumlose Hochflächen darstellten, alte Sammelplätze von Hirtenvölkern (Rhön, Haarhöhe bis Paderborn, Eifel, Schwäbische Alb, alle Regionen mit der Namensendung wie Fränkische-, Holsteinische-Schweiz usw.! Dazu gehörte meiner Meinung nach als Ur-Länder der modernen Grünlandnutzung durch Viehhaltung, besonders die Provinz Bergamo in Oberitalien oder die Schweiz selbst mit versch. Bundesländern. Hierzu könnten die Orte Büren, Beuron usw. eventuell Hinweise für Forschungsmöglichkeiten in Europa geben. Sicher ist, dass die Kelten ihre Räderkarren nicht benutzen konnten und es keine Römerstraßen gegeben hätte, wenn nicht die ständig wandernden Hirtenvölker diese Trassen vorbereitet hätten, auf denen dann die Kulturen sich austauschten und der Handel und militärische Bewegungen begannen! Auf diesen Routen kamen aus Asien über die Seidenstraße, nicht nur die Einflüsse fremder Naturreligionen nach Europa, sondern auch das Wissen über die Klosterbaukunst in das gallo-romanische alte Frankenreich. Unter diesem galloromanischen, katholischen Glauben entwickelte sich die Verwendung der großblättrigen Sommerlinde, die ähnlich wie der Pipalbaum (Ficus religiosa) im Buddismus, lang ausgezogene Blattspitzen als Träufelspitzen besitzen. Wir finden alte Sommerlinden innerhalb der Kultur nur vom Menschen angepflanzt, als Relikte des katholischen Christentums, welches sich besonders in Anatolien, Armenien und Georgien entwickelte und auf den Hirten- und Handelsrouten nach Westeuropa gelangte.

Quellen und Literatur

  • TBK = Taschenbücher des Kohlhammer/Urban Verlages, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz
  • Siehe zur Transhumance die Webseite mit Karten: Bernhard Schwade, © 2014 (http://www.altwege.de/roemer-und-kelten/hellwege.html)
  • Suter, Henry: http://henrysuter.ch/glossaires/topoK0.html, Webseite, Genf 2000–2009.
  • Wernicke, Ingolf: Die Kelten in Italien – Die Einwanderungen und die frühen Handelsbeziehungen zu den Etruskern. Stuttgart: Steiner (Palingesia; Bd. 33) 1991, Transhumance als Ursache der Kelteneinwanderung, S. 140–163.

Randsportart, na und? Deutscher Meister, Europameister, Weltmeister

Udo Berns, Hombruch, 23. Januar 2020

im Rahmen des Projekts Bekannte Sportler im Stadtbezirk Hombruch

Erinnerung an Erich Konecki (1920-2005) zum 100sten Geburtstag

Ralf Konecki, Löttringhausen, 6. Februar 2020

[mit Ausstellung vom 8. bis 16. Februar 2020 in der Küster-Passage, Harkortstraße am Markt – Eröffnung am 8. Februar 2020 um 11 Uhr]

im Rahmen des Projekts Bekannte Sportler im Stadtbezirk Hombruch

Stars und Sterne aus Hombruch

Gerd Kolbe, Holzwickede, 12. März 2020

im Rahmen des Projekts Bekannte Sportler im Stadtbezirk Hombruch

Osterwunder in Westfalen

Beschrieben-belebt-bestätigt

Ralf Konecki, 13. und 16. April 2022

Abb. 1: In zwei Vorträgen zum Osterbrauchtum in Westfalen eröffneten die „Hombrucher Sprach- und Heimatfreunde“ ihre Vortragsreihe. Im ersten Vortrag am 13. April 2022 in der Gaststätte Muskelkater trug der Referent Ralf Konecki (im weißen Hemd) ein Ostergedicht von Friedhelm Schwarzkopf vor. Giesela Nollen (rechts) bestätigte einige Bräuche, wie das Osterwecken mit der „Klapster“, die sie selbst als Kind mitgemacht hatte (Foto: privat).

Nach zweijährigem behördlichem Verbotes von Osterfeuern, Osterbräuchen und kirchlicherseits dem Osterwunder verstörende Einschränkungen der Feierlichkeiten, des Singens, des Betens und der Osterfreuden, belebten sich 2022 die westfälischen Osterwunder vielerorts mit großer Kraft auf’s Neue. In zwei Vorträgen zum Osterbrauchtum in Westfalen eröffneten die „Hombrucher Sprach- und Heimtfreunde“ ihre Vortragsreihe.

Im ersten Vortrag am 13. April 2022 in der Gaststätte Muskelkater stellte der Referent Ralf Konecki die Besonderheiten des Osterbrauchtums in Westfalen vor. Es barg ursprünglich viele Geheimnisse, die Jahr für Jahr die Jungen und die Alten belebten und gesund erhielten. Am Aschermittwoch sammelte die Jugend in manchen Teilen des Sauerlandes schon das Holz für das Osterfeuer. Eine Zeit mit reichem Brauchtum ist die Karwoche, die mit dem Palmsonntag beginnt und kirchliche und heidnische Bräuche vereinte. Die geweihten Palmen bestanden aus Weidenzweigen, die mit Haselnußgerten zu einem Bündel geflochten und auf einem weiß geschabten Haselnußstock gesteckt wurden, der später zum Rühren des Osterbreis diente. Im Dortmunder Süden werden noch heute Buchsbaumsträuche gebunden und zur Weihe in die Kirche getragen.

Ursprünglich fiel das Osterfest auf den ersten Vollmond nach Frühlingsanfang. Um sich vom heidnischen Osterfest unterscheiden zu können, führte das Christentum noch eine dritte Bedingung ein, nämlich die, dass das Osterfest am Tage des Herrn, also an einem Sonntag, gefeiert werden müsse. Der spätest mögliche Ostertermin fiel damit auf den 25. April, der als Markustag mit dem Bittgang der Dortmunder an diesem Tage von der Reinoldikirche bis zur Kirche nach Hohensyburg im Mittelalter eine bedeutende Rolle spielte. Der Name ‚Ostern‘, mhd. ôsteren, ahd. ôstarun, ags. ēastron, engl. easter, kann sich aufgrund indogermanischer sprachlicher Verwurzelungen auf mehrere, verwandte Bedeutungen beziehen wie auf die Himmelsrichtung ‚Osten‘, den Morgen und die Morgenröte, ferner auf eine Frühlingsgöttin mit Bezug zum Morgenstern. Die Göttin hieß im 8. Jahrhundert „Eostrae“, ahd. „Ôstara“, ihr Monat war der April, der nach ihr „Eosturmanoth“ genannt wurde. Ostern wurde in Europa lange Zeit als Jahresanfang gefeiert, und unsere Großeltern wurden bis 1964 zu Ostern eingeschult. Das Osterbrauchtum begann in der Karwoche mit dem Palmsonntag.

Als besonders heilkräftig galten bis in den sechziger Jahre hinein die am Grünen Donnerstag gelegten Eier, die man in den Gründonnerstagspfannkuchen schlug. Mancherorten war auch der „Niëgen-Krüter-Pannkaucken“ (Neun-Kräuter-Pfannkuchen) üblich. Eine „mystische Kraftgewinnung“ bewirkte das Essen der Kräutersuppe „Neegenstärke“ am Gründonnerstag. Über die kraftspendende Kräutersuppe hieß es in Pivitsheide: „Dat es geot gegen olle Krankheiten.“ (Das ist gut gegen alle Krankheiten). „Denn werd man dat ganze Johr nich krank.“ (Dann wird man das ganze Jahr nicht krank.) (Rezepte unter: www.westmärker.de)

Abb. 2: Der Wassereimer wurde so vor die Tür hingestellt, dass Sonnenspieglung möglich war: „Denn konn man dat Lämmken in’n Wader hüppkern seuhn.“ (Dann konnte man das Lämmchen im Wasser hüpfen sehen.) Bauer Buschmeier, 76 Jahre, verbürgte sieben Sprünge, was der Referent vor Ort bestätigen konnte (Foto: 17.04.2022 um 13.59 Uhr).

Im zweiten Vortrag am Karsamstag, den 16. April 2022 im Naturfreundehaus „In der Schnat“ bei Feldrom in Ostwestfalen-Lippe ging es vor allem um die Osterwunder, die der Westfale vor 100 Jahren zwischen Ruhr, Lippe und Weser noch im vollem Bewusstsein erlebte. Neben dem Osterfeuer spielte das Osterwasserschöpfen eine große Rolle. Um das Osterwasser schöpfen zu können, sammelte sich die Jugend ab Mitternacht und ging mit Krügen und Eimern schweigend zum Bach, zum Brunnen oder zur Quelle. Der Heimatforscher August Meier-Böke konnte 117 Orte allein in Lippe nennen, in denen dieser Brauch einmal zur Freude der Jugend ausgeübt wurde. Am Ostersonntag „vor Tau und Tag“ belebten wir diesen uralten Brauch und schöpften mit vier Personen nach alter Sitte das Osterwasser. Wir trafen eine ältere Dame, die nach dem Schöpfen des Osterwassers vor der Quelle betete. Der Brauch ist im Geheimen also noch lebendig.

Bis heute rätselhaft geblieben ist der damit verbundene Brauch mit den „Osterlämmken“. Vor 240 Jahren glaubten die Ostwestfalen, dass Osterlamm werde am Karfreitag geschlachtet und am ersten Ostertage tanze es bei der Sonne. Luise Witte, eine Bäuerin in Pottenhausen, wusste vor 80 Jahren noch zu berichten: „Dat gleiwet man, dat Austerlämmken, dat geiht vör de Sunnen her.“ (Das glaubte man, das Osterlämmchen, das geht vor der Sonne her.) In ganz Westfalen hatte sich einst der Glaube erhalten, dass man das Tanzen des Osterlamms in der Ostersonne um die Mittagszeit in einem Eimer Wasser sehen könne: „Gong hen, hal dat Wader för dat Austerlämmken!“ (Geh los, hol das Wasser für das Osterlämmchen!) pflegte z. B. Großvater Heidemann, Trophagen, am Ostersonntag zu seinem damaligen Jungen, dem 1946 siebzigjährigen Ziegler Heidemann, zu sagen (das geschah also um 1876). Der gefüllte Eimer wurde so vor die Tür hingestellt, dass Sonnenspieglung möglich war: „Denn konn man dat Lämmken in’n Wader hüppkern seuhn.“ (Dann konnte man das Lämmchen im Wasser hüpfen sehen.) oder auch tanzen sehen. Bauer August Buschmeier, Holenstein, 76 Jahre, verbürgt sieben Sprünge[1]. Nach den Angaben der Alten haben wir zu Ostersonntag am 17. April 2022 ebenfalls einen Eimer Wasser so vor die Tür gestellt, dass wir die Ostersonne drei und siebenmal haben hüpfen sehen (Abb. 2). Bis heute rätselhaft geblieben ist, was mit dem Osterlämmchen eigentlich gemeint ist. Fünf Möglichkeiten ließen sich erörtern. Nach altem Glauben und mittelalterlichen Abbildungen steht das Osterlämmchen mitten in der Sonne bzw. im Sonnenfeuer als Opfertier, kann aber auch vor oder neben der Sonne daher gehen: „dat geiht vör de Sunnen her.“ (das geht vor der Sonne her). Bezeugt ist das vor der Sonne oder das hinter ihr Hergehen bei Sonnenauf- oder bei Sonnenuntergang: „Wenn de Sunne langsam unner geiht, denn mot man henkoiken, denn kann man’t seun.“ (Wenn die Sonne langsam untergeht, dann muss man hingucken, dann kann man es sehen.) (Oma Micke, geb. Klöpper, 80 Jahre, Fromhausen beim Externstein)[1]. Zur Überprüfung dieser Angabe haben wir am Ostersonntag, den 17. April 2022, auf den Sonnenuntergang gewartet und das gemacht, was Oma Micke uns vor über 80 Jahren angeraten hatte: „denn mot man henkoiken, denn kann man’t seun.“ (Dann muss man hingucken, dann kann man es sehen). Wir waren an der Nordseite des Naturfreundehaus „In der Schnat“ und aßen im Freien als die Sonne gegen 20.30 Uhr hinter dem Buchenberg unterging. Nach 21 Uhr stand der Verfasser auf und ging zum oberen Ende des Pflasterweges, der zum Nordeingang des Naturfreundehauses führt. Dann schaute er gegen Abend auf den Himmelsrand des Buchenberges, dort wo die Ostersonne gerade untergegangen war und sah etwas, das als Osterlämmchen aufgefasst werden könnte. Der Verfasser rief seine Tischgenossen Marion, Margarete (22 Jahre alt), Jan und Irmela als Zeugen. Wir alle haben das Osterlämmchen gesehen, und zwar am Abend der beiden Ostertage. Zeugen am zweiten Osterabend waren Verfasser und Susanne. Wir konnten die Angaben von Oma Micke nach über 70-80 Jahren bestätigen.

Die Ostereier brachte in Ostwestfalen ursprünglich der Fuchs den Kindern, nicht der Hase. Warum das so war, ist bis heute ungeklärt. Aber auch dafür gibt es mehrere Erklärungen, die wir in einer späteren Abhandlung ausführlich besprechen wollen. Das Osterfeuer musste auf Druck der Obrigkeit vom ersten Ostertag auf den Vorabend verlegt werden. Beim Osterfeuer lief sie Jugend um oder über das Feuer und fitzte sich mit Haselstöcken, Weiden oder Birkenstöcken. An den Ostertagen waren Ballspiele wie Schlagball, Kreuzball und „Drücken“ (zu dreien) üblich. Getanzt wurde am zweiten Ostertag.

Geheimnisvolle Externsteine

Ralf Konecki, Dortmund, 12.05.2022

Die Römer in Westfalen: Die Patroklussäule in Soest – Ein weiteres Indiz für umfangreiche römische Präsenz in Soest in Westfalen

Bernt Herlitzius, Soest, 09.06.2022

Bereits als Kind wurde der Nachfahre eines Soester Steinmetzbetriebes mit dem alten Gemäuer der Stadt Soest, der Ehrenreichen, vertraut.

Nach der Sage wurde die Burg „Munda“, das spätere Dortmund, von den Römern erobert. Der älteste Grundriss der Stadt, Funde der Umgebung und auf dem Stadtgebiet selbst, wie die römischen Schalen (terra sigillata), die auf dem ehemaligen Thierbrauereigelände gefunden wurden, unterstreichen den geschichtlichen Gehalt der Sage. Unter dem Obertitel „Die Römer in Westfalen“ ist der Soester Heimatforscher Bernt Herlitzius in Hombruch zu Gast. Er weist auf den Geschichtsschreiber Cassius Dio hin, der überliefert hat, dass die Römer auch rechtsrheinisch zivile Siedlungen gegründet hatten. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage kämen Dortmund und Soest in Frage. Bei seinen Untersuchungen stieß der Heimatforscher unter anderem auf die Patroklussäule von Soest. Er fasst sie auf als ein weiteres Indiz für umfangreiche römische Präsenz in Soest in Westfalen.

Geheimnisvolles Westfalen: Das Lichtwunder am Externstein

Ralf Konecki, Dortmund, 15.09.2022

Westfalen birgt noch viele Geheimnisse. Neben dem Ort der Varusschlacht, der seit vielen Generationen gesucht wird, gilt auch der Ursprung von Dortmund immer noch als ungelöst. Besonders viele Geheimnisse bergen jedoch die Externsteine. Dort gibt es ein bislang von der Wissenschaft kaum beachtetes Lichtwunder, das zur Sommersonnenwende zu beobachten ist. Zu diesem Lichtwunder gibt es neue Forschungsergebnisse, die vorgestellt werden.

Flucht aus Pommern nach Westfalen mit der Bahn, zu Fuß und per Lkw. Winfried Schrödter liest aus den Erinnerungen seiner Mutter und seines Bruders.

Winfried Schrödter, Dortmund, 23.02.2023

Der Zweite Weltkrieg hatte für viele Deutsche spätestens 1945 schwere Folgen. Obwohl die Mutter des Referenten und ihre Familie in Cammin/Pommern den ganzen Krieg hindurch nicht viel vom Krieg gemerkt hatte, floh sie doch wegen der herannahenden Front 1945 erst nach Berlin zu ihren Schwiegereltern und dann weiter zu ihrer Schwester nach Warendorf. Sie verloren dadurch, wie viele andere auch, ihre Heimat und alles, was sie besaßen.

Die Flucht von Cammin nach Berlin und von Berlin nach Warendorf hat die Mutter ihrer Enkelin, der Tochter des älteren Halbbruders des Referenten, auf Tonband gesprochen. Sie hat diese Tonbandaufnahme in einem Schulprojekt verarbeitet. Der Halbbruder hat dem Referenten später seine Version erzählt. Ferner hat der Halbbruder seiner Tochter aufgeschrieben, wie er, der damals ein kleiner Junge von 3–9 Jahren war, die Kriegszeit im Cammin und dann die ersten Monate des Friedens erlebte.

Das Kriegsende in Persebeck

Winfried Schrödter, Dortmund, 20.04.2023

Vortrag im Rahmen des Jubiläums "1200 + 3 Jahre Persebeck"

Vor 75 + 3 Jahren (09.–12.04.1945) marschierten die Amerikaner in Eichlinghofen, Menglinghausen, Hombruch und Persebeck ein. Der Krieg war für uns hier zuende. Der Vortrag folgt im wesentlichen dem Bericht des amerikanischen Captains und wird ergänzt durch Zeitzeugenberichte.

Der Baroper Amtmann von Steinaecker, Namensgeber der Steinäckerstraße

Winfried Schrödter, Dortmund, 30.11.2023

Die Steinäckerstraße nimmt die Besucher des Hombrucher Markplatzes auf und führt sie nach Norden zur Stockumer Straße. Von da an führt der Weg nach Dortmund über die Straßen Am Beilstück, Krückenweg und Wittekindstraße, die in die Hohe Straße einmündet. Der Straßenbeginn der Steinäckerstraße liegt an bedeutender Stelle. Neben dem Marktplatz liegt rechter Hand die Hombrucher ev. Kirche am Markt, deren Altar nicht nach Osten, sondern der Steinäckerstraße folgend nach Norden ausgerichtet ist, linker Hand begrüßt der gepflegte Friedhof die Hombrucher. Doch wer war der Namensgeber Oskar Freiherr von Steinäcker (1831–1893), von dem kaum etwas bekannt ist? Der sprachbehinderte Freiherr war Offizier und später Baroper Amtmann, legte sich für seine Bürger mu-tig auch mal mit der Obrigkeit an und zählte zuletzt zu den beliebtesten Bürgern. Der Referent, der selbst in der Steinäckerstraße zu Hause ist, hat sich auf den Weg gemacht, mehr vom Namensgeber herauszufinden.

Gesammelte Zeitungsmeldungen der letzten 200 Jahre, die mittlerweile online verfügbar sind, Akten des Stadtarchivs und Auskünfte der Familie enthüllen nach und nach viele Einzelheiten aus dem Le-ben und von den Tätigkeiten des Freiherrn. Somit gelingt es dem Referenten ein Gesamtbild von der Bedeutung des Freiherrn Oskar von Steinäcker zu entwerfen. Der Vortrag gibt Auskunft über seine Herkunft, Familie, Militärlaufbahn bis hin zu seiner Grabstätte und vor allem über seine Tätigkeit als Amtmann.

Die drei Stufen der Ernährung: Von der Steinzeit bis zur Neuzeit

Das Lebensbild einer bandkeramischen Siedlung in Westfalen. (Abb. aus: Martin Heinen u. Ulla Münch: Die Anfänge des Neolithikums in Nordrhein-Westfalen, in s. (5) S. 123-30, hier S.129) (Quelle)

in der Vortragsreihe „Der Mensch ist, was er isst“

Ralf Konecki, Dortmund, 06.05.2024

Der Fokus des kulturhistorischen Beitrags liegt auf der Entwicklung der menschlichen Ernährung von den frühesten Anfängen bis in die heutige Zeit. Dabei wird auch der Speiseplan der ersten sesshaften Menschen beleuchtet, die vor etwa 7000 Jahren im Dortmunder Süden als Bauern lebten. Ein Blick auf die Nahrungsgewohnheiten vergangener Epochen ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis für unsere heutige Ernährung, sondern wirft auch wichtige Fragen auf.

Zu Beginn. Einfache Ernährung, Bewegung und Freu(n)de; dies benötigen die Alten. - Übe Deine Fähigkeiten, Setze Dir ein Ziel, Meide böse Gesellschaft, sind die Ratschläge für die Jungen.

„Der Mensch ist, was er ißt.“ ODER: „Der Mensch ißt, was er ist.“ ? - Doch was ist der Mensch ? Ist er ein stoffliches oder ein himmlisches Wesen ? Oder beides ? Es gibt drei Arten von Erzählungen, wie der Mensch entstanden sein könnte: A) Der Mensch sei aus einem Lehmkloß, also aus toter Materie geformt und dann von Gott beseelt worden, oder; B) Gott schuf Eva „als Adams Rippe“. In der ersten Erzählung blickt der Betrachter auf den Edboden; in der zweiten in den Himmel, denn Adam ist ein Sinnbild der Sonne, die „als Neulicht des Mondes“ zu denkende Rippe für das Weib. Die moderne Fassung in einem Schlager lautet: „Lady Sunshine und Mr. Moon“ von Conny Froboess. (1) - Doch wie entstand der erste Westfale ? Dazu gibt es eine eigene Geschichte C):

olle alter; Tied Zeit, gong ging; uëse unser; Härgoatt Herrgott; met mit; Sünte Sankt; Päiter Petrus, Peter; öäwer’t über das; auk auch; naoh nach; gaff gab; no noch; Leute; gongen gingen; Knapp Hügel, hauge hoch; wier wieder; runner hinunter; dör durch; Däler Täler; flak flach; Kopp Kopf, hei er; sagg sagte; för für, zu; mak! mach!, könnt (sie) können; Feller Felder, Wiesche Wiese; anleggen anlegen; eäre ihre; Freide Freude; het (sie) haben; owwer aber; woll wollte; dovan davon; wiëten wissen; leit (er) ließ; nit nicht; aantehollen eindringlich zu bitten; stodde stieß; Faut Fuß; Äike Eiche; gnäisede lächelte; fien fein; weer! werde! Keerl Mann; ower aber; reip rief; wat warum, triëtt hei tritt er; mi mich.

De äiste Westfaole [Der erste Westfale] - In olle Tied gong uëse Härgoatt met Sünte Päiter öäwer’t Land. Do kämen se auk naoh Westfaolen. Et gaff no käine Lü do. Se gongen de Knäppe hauge un wier runner, dör Däler un üöwer 't flake Land. Et gong Sünte Peiter dör'n Kopp, dat hier de Lü fehlden. Hei sagg för uësen Härgoatt: „Mak Lü, dann könnt se Feller un Wieschen anleggen, dat se eäre Freide dran het.“ Owwer de Härgoatt woll lange Tied nicks dovan wiëten. Sünte Peiter leit owwer nit naoh aantehollen. Do stodde uëse Härgott met'm Faut an ne dicke Äike, gnäisede fien un sagg: „Weer en Keerl!“ Owwer de Äike reip: „Watt triëtt hei mi !“

Der Morgenländer und der „Materialist“ sieht seine Herkunft im geformten Ackerboden, dem ein göttlicher Atem eingehaucht wird. Einen anderen Blickwinkel hat der „geistreiche“ Mensch, der dementsprechend auch der „Himmlischen Speise“ bedarf. Ein Beispiel ist das letztes Abendmahl des Heilandes vor seiner Kreuzigung. Der Westfale dachte da bodenständiger und verband beides, denn er aß zu Gründonnerstag nach dem Tischgebet seinen „Niëgen-Krüter-Pannekauken“ (Neun-Kräuter-Pfannkuchen). Und warum gerade den ? „Dat es geot gegen olle Krankheiten.“ Das ist gut gegen alle Krankheiten, und: „Den kriegt man Kräfte we neegen Kerls.“ Danach bekommt man Kräfte wie neun Kerle. Tischgebet und Mahlzeit verknüpfen die himmlische und irdische Speise miteinander. (Ein Rezept gibt es am Schluss des Beitrages.)

Der Westfale als Baumwesen und Bauer. Die fast in Vergessenheit geratene Erzählung vom ersten Westfalen erinnert daran, als Bauer seinen natürlichen Ursprung nicht zu verleugnen. Dies spiegelt sich auch in seinen Bräuchen, Redewendungen und Sprichwörtern wider. Sie können, so unsere Behauptung, wegweisende Hilfen für das Meistern unseres Alltages auch heute noch sein, geben Hinweise für ein gesundes Leben, und richten in schwierigen Zeit mit einem hintergründigen Witz auch die von der Obrigkeit geplagte Seele auf. Beispiele sind:

Wat user Buer nit kennt, friët hä nit. Was der Bauer nicht kennt, ißt er nicht. [Etwa 90% der modernen Krankheiten lassen sich auf ungesunde Ernährung zurückführen; etwa 90% der meist industriell verarbeiteten Produkte gab es vor 150 Jahren noch gar nicht.]
Däftige Kost hält Liew un Siëlle binäin. Gute Kost hält Leib und Seele zusammen.
Koppiene mout me verfriëtten, Liewpiene verschmachten. Kopfschmerzen muß man verfressen, Leibschmerzen verschmachten.
Kopp kolt un Feite warm, Stiäk wat Warmet in’n Darm. Kühler Kopf und die Füße warm, Steck was Warmes in den Darm.
En gueder Frönd es faake mähr wäet as Pënninge un Broud.Ein guter Freund ist viel mehr wert als Pfennige und Brot.
Et wät nit sou häit gegiëtten, as es gekuocket wät. Es wird nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. (2)
Viel Essen, viel Krankheit.
Nach dem Essen sollst Du stehn, oder tausend Schritte gehen.
Wie einer ißt, so arbeitet er auch.
Wo man ißt geh hinzu, wo man Geld zählt, geh hinweg. (3) (Hervorheb. Verf.)

Der erste Bauer in Westfalen. Die Mythe betont die natürliche Verwurzelung des ersten Bauern in Westfalen. In einem Aufsatz lautet es: „Vor etwa 12000 Jahren begannen erste Populationen unserer Vorfahren, sich von ihrer Lebensweise als reine Jäger und Sammler zu lösen und ihre Ernährung zunehmend mit Produkten aus dem Acherbau und Viehhaltung anzureichern. Während der vorangegangenen sechs Millionen Jahre – das heißt für mehr als 99% der menschlichen Entwicklungsgeschichtelebte der Mensch ausschließlich als Jäger und Sammler ... Um gesund älter zu werden, solllten wir uns auf unsere steinzeitlichen Wurzeln besinnen – von körperlicher Bewegung an der frischen Luft bis hin zur paläolithischen Ernährung.“ so Remko Kuipers 2015 im Ausstellungsband „Revolutiuon Jungsteinzeit“ und er endet: „Die Rückkehr zur Lebenbsweise unserer frühen Vorfahren führt zu einer daramatischen Verbesserung der Lebensqualität.“ (4) (Hervorh. Verf.) Die Archäologie kann auf eine Generation genau den Zeitpunkt ermitteln, wann die ersten Bauern in Westfalen eintrafen. Sie kamen aus dem nordhessischen Bereich, der Warburger Börde, und ließen sich in der Soester Börde nieder. Vom Westen her gesellten sich zwischen 5300 und 5250 v. Chr. bandkeramische Siedler aus dem Rheinland hinzu. Sie gründeten auf den fruchtbaren Lößboden die ersten zehn Siedlungen zwischen Dortmund und Bochum, darunter bei Stockum und Oespel. (5) „De äiste Westfaole“ kam aus der Sicht der Archäologie demnach vor ziemlich genau 7300 Jahren im Rahmen der neolithischen Revolution in unser Land. Die Menschen wurden hier sesshaft und betrieben eine Feldgraswirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Die Wanderschaft der Sammler und Jäger fand hierbei eine Einschränkung. Der „Westfale“ blieb auf seiner von ihm mit eigener Hände Arbeit beackerten und gepflegten Erdscholle sitzen, die in der vorrömischen Eisenzeit vielfach in übersichtliche Vierecke mit schützenden Knicks eingeteilt war. So wurde er mit seiner Familie „Besitzer“ von Land, Haus und Hof. Sein Tun war eingebunden im Jahreskreis von Sonne, Mond und der Natur. Entsprechend entwickelte sich sein Denken und Handeln, seine Sitten und Bräuche. Sie unterschieden sich von denjenigen der Jäger und Sammler und seit dem Mittelalter auch von denjenigen der Städter. Doch am Ende des 18. Jahrhunderts wurde seine gewohnte Lebensweise durch die industrielle Revolution weitgehend erschüttert.

Das Festessen. Auch wenn heute die meisten Menschen nicht mehr in der bäuerlichen Umgebung leben, spüren viele dennoch eine Verbundenheit mit den Gewohnheiten der Altvorderen. Dies äußert sich in der Fürsorge für die Familie, zum kleinen Garten, im Umgang mit den Haustieren, in der Pflege der Gräber und in der Liebe zu den Blumen. Das alte Westfalen lebt noch im Verborgenen in uns weiter. Es äußert sich im Charakter, im Verhalten zu den Mitmenschen und in der Beibehaltung liebgewonnener Gewohnheiten. Zu diesen Gewohnheiten gehören neben den Sprichwörtern und Redewendungen Lieder und Tänze, „Vertellekes“, und nicht zu vergessen der trockene Humor. Bis heute sind Feste noch im Jahreskreis eingebunden. „Man soll ja die Feste feiern wie sie fallen.“ In Vergessenheit geraten ist jedoch der mahnende Spruch: „Je größer das Fest, je schlimmer der Teufel.“ Ein Stichwort für die heutige Zeit sind die derzeitig gestalteten Olympischen Spiele und andere Großfeste. (6) Eine Besinnung auf die alten Gewohnheiten kann, so unsere Behauptung, bei der Neugestaltung einer lebenswerten Zukunft hilfreich sein. Das „Navi“ der jungsteinzeilichen Landwirte war die genaue Kenntnis des Jahreslaufes der Sonne, des Mondes, des Wetters und aller Naturvorgänge. „Im Osten geht die Sonne auf“ sangen wir noch in der Volksschule. Und wer bis 9 Uhr schlief, galt früher als Langschläfer: „Langeschläöper, Ulenkop, stäiht vör niëgen Uhr nit op.“ (Langschläfer, Eulenkopf, steht vor neun Uhr nicht auf.) Doch die heute oft unterschiedlichen Schlafgewohnheiten selbst innerhalb einer Familie deuten auf das nicht einfache Zusammengehen der Lebensgewohnheiten nomaden und bäuerlich geprägter Lebensumstände.

Die Suche nach den „Niëgen-Krüter“ in Löttringhausen. (Aufname: „Fröhliche Kinder“ 27.04.2024)
Die Ende April 2024 zur Zubereitung des „Niëgen-Krüter-Pannekaukens“ (Neun-Kräuter-Pfannkuchens) in Löttringhausen gesammelten Kräuter werden nach dem Säubern auf das Holzbrett gelegt. Neben Löwenzahn, Schnittlauch, Bärlauch, Gänseblümchen und Brennesseln sind noch Knoblauchrauke, Lungenkraut, Spitzwegerich, Gundermann mit Blüten, Rosmarin mit Blüten und Salbei gesammelt worden, als ein Beitrag zur Zubereitung einer lebendigen Mahlzeit, denn das ist „geot gegen olle Krankheiten“. (Aufname: „Fröhliche Kinder“ 27.04.2024)
Wörter: Niëgen-Krüter-Pannekauken – Neun-Kräuter-Pfannkuchen; daobi - dabei, dazu; sässtiënn – sechzehn; grautgroß; Liëppel – Löffel; Meäll – Mehl; säss – sechs; Patterboarn – Paderborn; Mönster – Münster; Oall – Öl; Köppken, Pl. Köppkes – Tasse; Meälke – Milch; biëttken – bisschen; Solt – Salz; Schlüettelblaume – Schlüsselblume; Kuckucksmaus – Hasenklee; Gausepauten – Gierenblätter; Höällerten-Sproatten – Holundersprösslinge; Niëttel – Nessel; Breänn-Niëttel – Brennessel; Dauniëttel – Taubnessell; Lauk – Schnittlauch; Biëckebunge – Bachbunge; Krut – Kraut.

Eine hilfreiche Kritik zur Mahlzeit. Zur hilfreichen Kritik zählt Remko Kuipers „Die Rückkehr zur Lebenbsweise unserer frühen Vorfahren“ denn sie „führt zu einer daramatischen Verbesserung der Lebensqualität.“ Mit dem Niëgen-Krüter-Pannekauken (Neun-Kräuter-Pfannkuchen) sei ein Beispiel zur lebendigen Ernährung gegeben, denn er ist „geot gegen olle Krankheiten“. - Un dat häört dobi [för 6 (säss) Lü]: - 16 (sässtiënn) graute Liëppels Meäll - 6 (säss) Eier – müeglichst Westmärker Eier, nit van Patterboarn odder Mönster! - 6 (säss) kleine Liëppels Oall - 3 (drei) Köppkes Meälke - en biëttken Solt, un dann niëgen Krüter. Dei well eck dann maol optellen: 1: Schlüettelblaume, 2: Kuckucksmaus, 3. Gausepauten, 4: Lauk, 5: Höällertensproatten, 6: Niëttel (Breänn-Niëttel odder Dauniëttel), 7: Biëckebunge, 8: Frauenmantel, 9: Brunnenkresse. (Je nach Jahreszeit können auch andere Kräuter gesucht werden, Angaben auf eigene Gefahr.)

Eine hilfreiche Kritik zur Wohnweise. Zur hilfreichen Kritik zählt auch die Wohnweise und der Hausrat der westfälischen Jungsteinzeit.

Zusammenfassung. Trotz der atemberaubenden Fortschritte selbst mit Hilfe der modernen KI-Medizin werden die Menschen insgesamt immer kränkelnder. Neben den Lebens- und Nährmitteln spielen die industriell verarbeiteten Produkte eine immer größere Rolle. Die neuen Erkenntnisse in der modernen Spatenwissenschaft und die alten Sprichwörter können sehr hilfreich für eine Umkehr sein. „Der Mensch ist, was er ißt“ aber er „ißt auch, was er ist.“ Bis heute sind Feste noch im Jahreskreislauf eingebunden, „Man soll ja die Feste feiern wie sie fallen.“ aber es gilt auch „Je größer das Fest, je schlimmer der Teufel.“ Eine kluge Besinnung auf die alten Gewohnheiten kann, so unsere Behauptung, bei der Neugestaltung einer lebenswerten Zukunft hilfreich sein. Ziel sollte es für die Alten sein, möglichst „gesund“ zu sterben, und die Jungen sollten sich nicht von der Obrigkeit und den „modernen Studien“ verrückt machen lassen. Für sie sollte gelten: Mak diene Döppen uoppen un kiek likut. Mache deine Augen auf und schaue geradeaus.

Lit.: (1) Ralf Koneckis: Mythen und Märchen – Was uns die Sterne darüber verraten, Stuttgart 1994, S. 12-14. - (2) Julius Raub: Plattdeutsche Sprichwörter und Redensarten zwischen Ruhr und Lippe, Münster 5./6. Aufl. (1976) 1981. - (3) Karl Simrock: Deutsche Sprichwörter – gesammelt, Frankfurt a. Main, 1846 (Reprint: Dortmund 1978). - (4) Remko Kuipers: Die gesundheitlichen Folgen der Zivilisation, in: Thomas Otten u.a. (Hrsg.): Revolution Jungsteinzeit, Bonn–Detmold–Herne 2015, S. 185-87, hier: S. 185. (5) Martin Heinen u. Ulla Münch: Die Anfänge des Neolithikums in Nordrhein-Westfalen, in: s. (4) S. 122-30. hier S. 129. - (6) s. (3) Nr. 2395, S. 110.

Großmutters Küche – Stichwort "Henriette Davidis"

Henriette Davidis, Luise Holle: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 41. Auflage, Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig 1904

in der Vortragsreihe „Der Mensch ist, was er isst“

Winfried Schrödter und Ludwig Bücking (angefragt), Dortmund, 06.06.2024

Woraus bestand Großmutters Küche eigentlich? Ist sie wirklich besser gewesen? Was macht sie heute so attraktiv?

In unserem historischen Rückblick auf die Ernährung wollen wir einen wichtigen Abschnitt besprechen, den die Nostalgiewelle wieder hervorgezaubert hat: Großmutters Küche. Aber was ist das eigentlich?

  • Hausmannskost
  • Sachen aus der Kindheit
  • Landhausküche

Manche heutige Großmutter ist 1980 geboren, manches Menschen Großmutter im ersten Weltkrieg, meine noch im 19. Jh., nämlich 1885! Und damit beinahe noch im Zeitalter der Henriette Davidis. Wer kennt sie nicht?

Die bekannte Kochbuchautorin wurde 1801 in Wengern geboren und starb 1876 in Dortmund. Sie arbeitete von 1841 bis 1848 in Sprockhövel in einem Frauenverein, der arme Mädchen in Handarbeiten und Kochen unterrichtete. Während dieser Zeit erschien 1845 die erste Auflage ihres Praktischen Kochbuchs „für die gewöhnliche und feinere Küche“. Dafür hatte sie umfangreiche Recherchen betrieben und über einen längeren Zeitraum Rezepte zusammengetragen.

Was kennzeichnet dieses Zeitalter der Henriette Davidis?

Im Raum Gummersbach standen noch am Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem Speisezettel der allgemeinen Volksklasse, d.h. der überwiegenden Bevölkerung „morgens, mittags und abends ein Kartoffelgericht und abgesämente (abgesahnte?) Milch“, dazu Haferbrot, dem ab und zu Roggen- oder Buchweizenmehl zugemischt wurde. Manchmal gab es Salate oder Gemüse wie Erbsen, Bohnen, Weißkohl bzw. Sauerkraut und Rüben. Birnen, Äpfel und Pflaumen, im Winter auch getrocknet, sorgte für Abwechlung und Vitamine. Anders als im Mittelalter blieb Fleisch eine große Ausnahme, die sich die ärmeren Familien nicht einmal an normalen Sonntagen leisten konnte. Da gab es meist Reibekuchen. Festgerichte waren selbstgemachte Wurst aus Innereien, Kartoffeln und Rüben, gekochter Milchreis oder mit Butter bestrichene Pfannkuchen. Brunnenwasser war war meist ungenießbar. Man trank Zichorienkaffee oder einen Tee aus getrockneten Äpfeln und Birnen, Bier oder Wein.[2]

Im 19. Jahrhundert erstarkte das Bürgertum. Die bürgerliche Küche wurde zum Begriff, allgemeine Schulbildung und sinkende Druckkosten ermöglichten breiten Kreisen den Zugang zu Kochbüchern. Gleichzeitig bildete sich die bürgerliche Kleinfamilie heraus, in deren häuslichem Zentrum die Hausfrau stand, die das Kochbuch auch als Bildungs- und Lehrbuch nutzte. Hatten sich Kochbücher zuvor eher an professionelle Köche gerichtet, boten sie nun einen systematischen Zugang zu den Grundlagen des Kochens und der Hauswirtschaft, der sich bewusst auch an Anfänger richtete. Henriette Davidis‘ Praktisches Kochbuch entwickelte sich vor diesem Hintergrund zu einem beliebten Hochzeitsgeschenk.

Die Landbevölkerung lebte in kleinen Dörfchen von zwischen 4 und 30 Höfen, man war nicht sehr mobil, und man heiratete überwiegend innerhalb des Landkreises, was ich anhand des Stammbaums meiner Frau sehr schön sehen konnte.

Hungersnöte

Hungersnöte haben in der Entwicklung der Menschheit eine so große Rolle gespielt, dass der menschliche Organismus sich genetisch darauf eingestellt hat, sie möglichst gut zu überstehen, vor allem natürlich die jährliche Nahrungsmittelknappheit im Winter. Sofern es nicht bereits in vorigen Vorträgen zur Sprache kam, wird auf jeden Fall die Ernährungsberaterin Birgit Pries in ihrem Vortrag am 5. September darauf eingeghen. Auf der Grundlage dieses Wissens können wir unsere Fettdepots gezielter abbauen oder ganz vermeiden, da wir sie heute nicht mehr benötigen.

Wenn man in der Geschichte zurückblickt und Hungersnöte sucht, kann man beim Dreißigjährigen Krieg beginnen, der 1648 endete und natürlich Hunger mit sich brachte, weil Truppen die Felder verwüsteten oder einquartierte Soldaten in großer Zahl zu verpflegen waren. Danach gab es um 1700 Hungersnöte in Frankreich und im gesamten Europa zwischen 1770 und 72 und 1816/17 (das war das „Jahr ohne Sommer“ durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien). 1844 bis 49 vernichtete die Kartoffelfäule die Ernte. Bis 1916 (als es im ersten Weltkrieg den Steckrübenwinter gab) hat es dann keine Hungersnot mehr gegeben.

Zurück in unsre Dörfer. Auch die Bergleute lebten in den Dörfern, aber mit den aufstrebenden Zechen entstanden auch ganz neue Bergmannssiedlungen. Dort wurde es schwieriger, eine Nebenerwerbslandwirtschaft zu führen, die auf den Dörfern noch normal gewesen war. So kam es zum Übergang zu einer eher städtischen oder bürgerlichen Lebensweise. Die Lebensmittel wurden nicht mehr selbst angebaut, sondern gekauft.

Landwirt als auch Bergmann waren gekennzeichnet durch schwere körperliche Arbeit. Dementsprechend ernährten sie sich deftig und kalorienreich. Aber das ist etwas, was wir heute in der Regel nicht mehr benötigen. Maschinen machen die schwerste Arbeit, im Büro gibt es gar keine mehr. Deftig und Kalorienreich sollte daher out sein, Großmutter hin oder her!

Selbst in der Küche muss man nicht mehr arbeiten wie früher.

Großmutter hat alles von Hand gemacht: Saucen, Brot, die verschiedenen Grundteige für Gebäck und Gemüsebrühe. Wir vereinfachen uns heute das Leben mit Covenience-Produkten, aber selbstgemacht schmeckt meistens besser und ist gesünder, da man nicht die vielen Zusatzstoffe benötigt, die zu nichts als zur Ermöglichung der industriellen Herstellung enthalten sind, längere Haltbarkeit bewirken oder niedrigere Kosten, wenn sie als Ersatz oder zum Strecken teurer Zutaten dienen.[3]

Die Bevölkerung wuchs damals, nicht zuletzt wegen der Verbesserung der Hygiene in allen Bereichen und der ärztlichen Versorgung. Man aß noch überwiegend regional und saisonal. Was nicht selbst gezogen wurde, kam vom Markt. Die Einfuhr von Lebensmitteln aus anderen Ländern (Getreide[4], Kolonialwaren) stieg langsam an. Sicher gab es in den verschiedenen Gesellschaftsschichten unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten.

Früher war es noch viel selbstverständlicher, Gemüse und Obst im eigenen Garten anzupflanzen: Kartoffeln, Tomaten, Salat, Äpfel, Pflaumen usw. Die Großeltern wusste dadurch auch immer, welche Sorten gerade Saison haben. Das ist uns heutzutage mit der fast ständigen Verfügbarkeit aller Lebensmittel etwas verloren gegangen. Achten auf Saison und Regionalität spart meistens Geld. Zudem sind dann die meisten gesunden Inhaltsstoffe enthalten. Kräuter lassen sich auf dem Fensterbrett züchten.[5]

Naturbelassenes war jedoch nicht nach Großmutters Geschmack. Schon allein aus Gründen der Hygiene wurde gekocht.[6]

Wie bildet sich das alles in Henriette Davidis‘ Kochbuch ab?

Leider liegt mir nur eine Ausgabe von 1904 vor. Hinweise auf Bevölkerungsklassen mit unterschiedlichem Einkommen oder unterschiedlichen Nahrungsbedürfnissen sind spärlich. Immerhin:

„Eine Vermehrung der Kohlehydrate und Fette in der Nahrung erscheint besonders angezeigt bei Menschen, die ihre Muskeln viel anstrengen. Hier ist also der Betrag der kohlehydratreichen Nahrungsmittel, wie Brot- und Mehlspeisen, zu vermehren, während bei sitzender Lebensweise die leichten Gemüse und das Obst zu begünstigen sind.“[7]

Bezüglich der Kosten zeigt eine Tabelle, dass Fleisch „ziemlich teuer“, Eier, Fett, Obst und Bier sogar „sehr teuer“, Zucker und Kohl noch immer „teuer“, hingegen Milch und Kartoffeln „ziemlich billig“ und Erbsen „sehr billig“ waren.[8]

Die im Kochbuch enthaltenen Vorschläge für den täglichen Speisezettel, wie wir sie auch heute noch von Küchenkalendern kennen, sind nach Monaten eingeteilt und beruhen auf den jeweiligen saisonal erhältlichen Lebensmitteln. Die einzelnen Speisenfolgen bestehen ausnahmslos aus einer Suppe, einem Fleisch- oder Fischgericht und einer Nachspeise, wobei die Nachspeise aber „bei einfachen Verhältnissen teilweise oder ganz fehlen“ kann.[9]

Am heutigen 6. Juni könnte man zum Beispiel dem Vorschlag Nr. 6 für Juni folgen:[10]

  • Erdbeersuppe[11]
    • Zwieback, Wein, Zucker und Zimt aufkochen, gezuckerte Erdbeeren dazugeben
    • dazu Bisquitschnittchen oder Zwieback

falls unangemeldete Gäste erscheinen, macht man zusätzlich noch schnell

  • Gebackene Schmerlen[12]
    • Schmerlen salzen, panieren, in Backfett backen
    • dazu Kartoffelsalat
  • Rindfleischragout von Suppenfleisch[13]
    • Rindfleisch kochen, gebräuntes Mehl und Birnenmus, Zucker oder Sirup und frisches Schweineblut mit Essig hinzugeben
Kartoffelmuscheln[14]
  • übrig gebliebene Kartoffeln (also gekochte?) reiben, mit Eiern und Mehl einen Teig machen, Rollen formen, zerschneiden, Muscheln formen, kurz aufkochen oder backen
  • Karthäuser-Klöße[15]
    • Milchbrötchen abreiben, halbieren, in Milch, Eiern, Zucker und Zitronenschale, Muskatblüte oder Zimt einweichen, mit dem Abrieb bestreuen und in Butter backen
    • dazu Kompott oder eine Wein- oder Fruchtsauce


Im 20. Jahrhundert wurde das Bewusstsein geweckt

1928 fand in Dortmund in Anwesenheit des Erfinders des Vollkornbrots Dr. Volkmar Klopfer eine Ausstellung zu „neuzeitlicher Ernährung“ statt, auf der die Lebensmittelindustrie an sich selbst die Forderung stellte: „Nahrung, die nicht müde und schlaff macht und die Organe nicht belastet, sondern sie anregt und belebt und Vitamine entwickelt. Konzentrate, Konserven, Frischkost, vegetarische Kost.“[16]

Großmutters Gerichte haben etwas Magisches. Großmutters Essen hat mit Erinnerungen und Emotionen zu tun. Doch warum ist das so?

Geschmack- und Geruchssinn werden in unserer Kindheit geprägt. Wenn Großmutter Frikadellen kocht und diese dem Enkel gut schmecken, werden sie zu seiner persönlichen geschmacklichen Norm. Hinzu kommt aus biologischer Sicht, dass die stärksten Erinnerungen aus dem ersten Drittel unseres Lebens stammen.[17]

Für Kinder ist es faszinierend, dabei zu sein, wenn die Großmutter alles frisch zubereitet. Aufgrund des Zeitdrucks und oft fehlenden Wissens um das traditionelle Handwerk von Kochen und Backen greift die moderne Familie heute zum Convenience-Produkt.[18]

Im Vergleich zum schnelllebigen Alltag von heute verherrlichen wir das Leben von damals. Wir malen es uns schön und verbinden Heimat, Geborgenheit, Ruhe und Wärme damit. Immer mehr Menschen in unserer hypermobilen Gesellschaft suchen aber auch zu Recht wieder nach Möglichkeiten der Entschleunigung, nach einem achtsameren und bewussteren Leben und Konsumieren.[19]

Aktuell angekündigte Vorträge

Artgerechte Ernährung für den Menschen

in der Vortragsreihe „Der Mensch ist, was er isst“

Teil I des Vortrags über Ernährung heute aus der Sicht einer Ernährungsberaterin und Heilpraktikerin

Birgit Pries, Solingen, 05.09.2024

Den Menschen in unserer westlichen Gesellschaft steht ein riesiges Sortiment an Lebensmitteln zur Verfügung. Wir haben uns scheinbar ein Schlaraffenland an Produkten erschaffen, aus denen wir täglich auswählen (müssen). Ständig und überall ist es möglich, uns Nahrung zuzuführen.

Aber ist das, was in den fertigen Produkten drinsteckt, überhaupt die Art Essen, die für die Spezies „Mensch“ geeignet ist? Was haben Gefühle mit unserer Essensauswahl zu tun? Was sollte die Gattung „Mensch“ essen und trinken, um wohlbehalten und zufrieden alt zu werden

Birgit Pries, Heilpraktikerin und Ernährungsberaterin aus Solingen, möchte bei Ihnen kurzweilig und humorvoll das Bewusstsein dafür wecken, was essen und trinken für die Gattung „Mensch“ bedeutet.

Mit unserer Ernährung die Welt retten – Planetary Health Diet

in der Vortragsreihe „Der Mensch ist, was er isst“

Teil II des Vortrags über Ernährung heute aus der Sicht einer Ernährungsberaterin und Heilpraktikerin

Birgit Pries, Solingen, 26.09.2024


siehe auch Terminkalender

  1. 1,0 1,1 August Meier-Böke: Das Osterbrauchtum in Lippe, in: Erich Kittel u. Karl Weerth (Hrsg.): Lippische Mitteilungen, Band 20, Detmold 1951, S. 151-52.
  2. Gerhard Pomykaj: Gummersbacher Geschichte Bd. I S. 185 f.
  3. Münchner Merkur
  4. Mittellandkanal – Befürchtungen der Landwirtschaftskammer Westfalen in Wattenscheider Zeitung 10.4.1899
  5. Münchner Merkur
  6. DLF Kultur
  7. Henriette Davidis, Luise Holle: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 41. Auflage, Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig 1904 S. 801
  8. a.a.O. S. 804
  9. a.a.O. S. 805
  10. a.a.O. S. 809
  11. a.a.O. S. 75
  12. Bachschmerle, Bartgrundel, ein karpfenartiger Speisefisch, a.a.O. S. 316
  13. wie Hasenpfeffer, a.a.O. S. 159
  14. „zum Verzieren“, a.a.O. S. 508
  15. a.a.O. S. 406
  16. Dortmunder Zeitung
  17. FAZ
  18. FAZ
  19. FAZ