17. Mai 1943

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

January February March April May June July August September October November December Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

Deutsch

Now it's happened! The Russians have picked up one of our posts! The bad luck happened to the other platoon, and the lieutenant tells me what happened during the relieving: It was pitch black night. Suddenly a rattle and a crash shatters the nightly silence. Machine gun bursts hiss and hand grenades explode with a muffled bang. Despite the total darkness, the bursts lie hair-perfectly on three adjoining foxholes. They sweep so close over the holes that the men cannot raise their heads and take full cover. Suddenly a loud cry for help echoes through the night. The Russians had crawled up to the middle foxhole under cover of the continuous machine gun fire that covered the two outer foxholes and had pulled the sentry out of his hole. You could tell from his cries for help that they were dragging him away by force. As suddenly as the attack came, it was also over. When the area was searched the next morning, only the cap of the deported man was found.[1]

This Soviet raid was a coup de main that deserves the greatest recognition. It was only possible through prior, most precise reconnaissance of the terrain, the sneak path and the location of our positions. Furthermore, the exact positions of the attackers and the positioning and firing direction of the weapons had to be determined so precisely that they hit their target even in pitch darkness. Last but not least, men of courage were also required. It was a masterstroke.

17.05.1943: The path of my reconnaissance patrol in front of the swamp position near Sagorodnoje (north is to the left!)

Die roten Spähtrupps waren in letzter Zeit immer häufiger, immer größer und immer aufdringlicher geworden. Deshalb bekomme ich den Auftrag, mit einem Spähtrupp in den Wald vorzustoßen und festzustellen, was sich dort in der Tiefe des Waldes eigentlich tut, und ob sich der Russe etwa schon diesseits des Donez festgesetzt hat. Der Fluss entfernt sich hier nämlich in einem großen Bogen von dem Steilhang, und dieser etwa zwei Kilometer tiefe Bogen ist von dichtem Sumpfwald bedeckt, in den ich nun mit meinen sechs Männern vordringe. Ich benutze zunächst den Waldweg, auf dem wir kürzlich dem russischen Spähtrupp gefolgt waren. Er zieht sich in langen, schwachen Windungen durch das Unterholz des Donez entgegen. Der feuchte Boden lässt die Vegetation üppig gedeihen. Das Unkraut wächst hoch, und Buschwerk und Niederwald sind so dicht, dass man stellenweise keine fünfzig Meter weit sehen kann. Die beiden Panzerwracks, an denen wir wieder vorbeikommen, lasse ich diesmal untersuchen. Sie sind leer. Nun lasse ich hier zwei Mann zurück und gehe rechtwinklig vom Weg ab nach links, indem ich einem sumpfigen Bachlauf folge, der etwa parallel zu unseren Stellungen verläuft. Ich finde aber weder Russen noch Spuren von ihnen. Deshalb kehre ich zu den Panzerwracks zurück. Wir folgen nun wieder dem Weg, der auf den Donez zuläuft. Nach einiger Zeit wird der Wald lichter, das Unterholz spärlicher. Bald haben wir den Waldrand erreicht und stehen vor einer breiten Wiesenfläche, die nur mit einzelnen Buschgruppen bestanden ist. Wir sind an den Auwiesen des Donez. Der Fluss ist immer noch einige hundert Meter entfernt und nur an einigen Stellen zu sehen. Auf der anderen Seite des Flusses reicht der dichte Wald bis an das Ufer heran. Von Russen ist nichts zu sehen, aber zweifellos beobachtet er uns von der anderen Flussseite. Ich kehre zurück und melde dem Bataillon meine Beobachtungen: Der Wald ist feindfrei. Der weitgehend feuchte Untergrund lässt vermutlich keinen Stellungsbau zu. Demnach kommen die feindlichen Spähtrupps vom jenseitigen Ufer des Donez herüber, durchqueren den Sumpfwald und legen sich vor unseren Stellungen auf die Lauer.

Nach dem Spähtruppüberfall sind die Nächte noch mehr als bisher voller Spannung. In den Abendstunden wabern Myriaden von Mücken in dunklen Wolken zwischen den Baumkronen und erfüllen die dämmrige Stille mit ihrem Singen. Dann aber senkt sich die unheimliche Nacht über den Wald. Die Baumkronen sind nicht mehr zu erkennen. Es ist wie eine schwarze Decke, die über uns gebreitet ist. Aber die Nacht ist nicht still. Sie ist voller Unruhe. Es raunt im Wald. Die Sommerwärme brütet noch unter den Baumkronen und im Unterholz. Feuchtwarme Luft lastet über dem Boden. Es wispert im Dickicht und gluckst in den Tümpeln. Es raschelt im Laub, dass der Posten erschrickt. Vielleicht war es nur ein Tier auf nächtlichem Beutezug. Vielleicht war es aber doch ein Russe? Die Geräusche sind leise, aber zahllos und beunruhigend. Nachts wird hier unten nicht geschlafen. Alle Mann sind auf Posten. Gegen drei Uhr morgens wird es kühl. Müde lehnen die Männer an der erdigen Wand ihrer Schützenlöcher.

Endlich graut der Morgen. Fast unmerklich weicht die finstere Nacht. Noch ist es dunkel, aber der Himmel ist nicht mehr ganz so schwarz. Schon heben sich die Schatten der Baumkronen vorn Himmel ab. Voll Ungeduld blicke ich zum östlichen Horizont und dann auf das Zifferblatt meiner Uhr, das schwach phosphoresziert. Kurz vor drei Uhr. Um diese Zeit beginnt es hell zu werden. Und dann nimmt der schwarze Himmel allmählich eine bläuliche Farbe an, die immer heller wird. Der Morgen naht. Es wird Licht. Zwar beginnt jetzt eigentlich die gefährlichste Zeit, denn Angriffe beginnen meist im Morgengrauen. Aber man kann den Angreifer wenigstens sehen. Und dann ist die Sonne da! Der Tag hat begonnen.

Mein Bunker am Fuß des Steilhanges liegt in einem Hochwaldstück. Man kann hier frei herumlaufen. Der Unterstand liegt am Rand eines hellen Sandweges. Seit langem unbenutzt, beginnt das Gras, ihn allmählich von beiden Rändern her zu überwachsen. Still und verträumt liegt dieser Waldweg unter den leise rauschenden Kronen der hohen Bäume, mit deren Blätterwerk die warme Sommersonne ihre Schattenspiele auf den Weg wirft.

Und dann neigt sich wieder ein Tag dem Ende zu. Das Blau des Himmels und das Grün des Waldes werden immer dunkler. Aber heute schreckt die Dunkelheit nicht. Bald wird die Ablösung kommen. Halb unbewusst lauscht das Ohr, ob nicht schon das Geräusch der trappelnden Schritte und das fast unvermeidliche Klappern der Geräte zu hören ist. Wieder ein Blick auf die Uhr. Kurz vor zehn Uhr. Bald müssen sie hier sein. Ablösung! Das Herz scheint etwas erleichtert zu schlagen. Eine Nacht in einem richtigen Bett schlafen, ohne Unruhe. Raus aus diesem Wald und einen Tag wieder unter Menschen im Dorf sein. Ein Feldbett in einer Lehmkate ist schon eine kleine Seligkeit. Wie wenig braucht der Mensch, um glücklich zu sein!

Später erhalte ich unten im Wald einmal Besuch von einem Leutnant unseres Nachbarbataillons. Es ist Leutnant Baumann[2], den ich in Frankreich kennengelernt und in Paris und Le Mans getroffen habe. Er wollte mal Verbindung zum Nachbarn aufnehmen und ist selbst überrascht, mich hier unten im Wald zu treffen. Er ist lustig wie immer und meint, für diese Waldstellung würden sicher einige Ritterkreuze ausgeworfen.

Manchmal kann man die Wut kriegen über die Sturheit der Landser. Wie ich heute am Tage die Stellungen ablaufe, treffe ich einen Posten an, der sich gemütlich an den Fuß eines Baumes gesetzt hat, den Rücken an den Stamm gelehnt, und die Knarre zwischen den Beinen. So sitzt er da und bietet den Russen eine willkommene Zielscheibe. In seinem Erdloch war es ihm zu unbequem, und deshalb lässt er sich lieber abknallen. Ich weiß wohl, dass das tage- und wochenlange Stehen in den engen Schützenlöchern anstrengend ist, aber die zwei Stunden muss er eben durchhalten. Es geht ja ums Leben!

Entweder können die Landser nicht gucken, oder sie passen nicht auf. Heute komme ich zu einem Schützenloch, in dem der Posten seine Wache steht. Ich springe zu ihm ins Loch, stelle mich neben ihn und beobachte auch eine Weile den feindlichen Wald. Da sehe ich auch schon einen erdbraunen Iwan im grünen Gras herumschleichen. Der Posten hatte nichts gesehen.

Gewiss sind unsere Landser durch das jahrelange Postenstehen in den Schützenlöchern gleichgültig und abgestumpft. Aber es fehlt ihnen auch die Beobachtungsgabe. Sie können nicht mehr unterscheiden, ob die Bewegung des Grases vom Wind oder von einer schleichenden Gestalt verursacht ist. Sie sehen nicht, dass der Busch da drüben heute viel dichter ist als gestern. Dass der Reisighaufen da hinten höher ist als gestern. Dass die Baumkrone dort von Tag zu Tag undurchsichtiger wird (weil die Russen dort eine B-Stelle einrichten, indem sie Tag um Tag, langsam und unauffällig, die Baumkrone durch zusätzliche passende (!) Äste verdichten). Uns Kulturmenschen, vor allem den Großstädtern, ist diese Fähigkeit verloren gegangen. Der Russe hat sie noch. Er hat Augen wie ein Adler. Er schleicht sich wie ein Indianer am helllichten Tag bis auf dreißig Meter an unsere Stellungen heran. Er kann graben wie ein Maulwurf und hat sich in unglaublich kurzer Zeit in die Erde gewühlt. Unsere B-Stellen hat er oft in kurzer Zeit erkannt. Er passt sich hervorragend dem Gelände an und tarnt sich und seine Stellungen phantastisch gut. Ein Meister der Tarnung und Täuschung. Er scheut nicht Wind noch Wetter und greift oft dann an, wenn unsere Landser sich zum Schutz gegen Schnee und Regen die Zeltbahn über den Kopf ziehen.

Das Tollste ist heute passiert:

Ich sitze hinten in meinem Bunker, als ich vorn plötzlich Schüsse knallen höre. Ich renne sofort die etwa hundert Meter zu den Stellungen, finde dort aber alles wieder ruhig und friedlich vor. Es war folgendes geschehen: Ein Posten hatte in seinem Schützenloch im Halbschlaf vor sich hingeduselt, als er Schritte in der Nähe hörte. Wie er nun verschlafen aufblickt, steht ein Russe vor seinem Loch. Beide sind vor Schreck erst wie gelähmt. Dann aber macht der Iwan blitzschnell kehrt, watet durch einen flachen Tümpel und verschwindet im Gebüsch. Der Landser hatte inzwischen sein Gewehr hochgerissen und dem Iwan blindlings zwei Schüsse hinterher gefeuert, natürlich ohne zu treffen, denn er schlief ja noch halb. Ich nahm schnell einige Leute und lief in Richtung des geflüchteten Russen in den Wald, fand aber keine Spur mehr. Der Iwan hatte aber auch ein unwahrscheinliches Glück gehabt: Er war auf den größten Trottel des Zuges gestoßen.

Diese verfluchten Mücken! Wir tragen zwar Mückenschleier vor dem Gesicht, aber diese Biester finden immer einen Zugang, meist am Hals. Wenn die Posten den Schleier tragen, können sie nicht richtig sehen, weil die Mücken massenweise vor ihrem Gesicht auf dem Schleier herumkrabbeln. Wenn sie aber, um besser beobachten zu können, den Schleier hochschlagen, zerstechen die Mücken ihnen das Gesicht. Wenn man sie dann verjagt, verrät sich der Posten durch seine dauernden Bewegungen. Heute stand ich neben einem Posten, der in seinem Loch stand und die Hand auf dem Gewehrkolben hatte. Die Hand war schwarz von Mücken! Die armen Schweine hier vorn. Wenn sie nicht ein dickes Fell haben, werden sie verrückt vom Juckreiz. Und zu dem Fleckfieber, das uns die Läuse bringen, kommt die Malaria als Geschenk der Mücken. Auch das Atebrin, das wir dagegen schlucken, hilft nicht immer, obgleich es sehr wirksam ist. Aber die Mücken und der Juckreiz ihrer Stiche, die uns den Schlaf rauben, belasten unsere Nerven mehr als die Gefahr hier unten.

Eben war Oberleutnant NN, der Kompanieführer aus dem Bunker oberhalb der Schlucht, hier unten, um sich einmal die Stellungen anzusehen, die ja wie ein Schutzschild vor seinem Gefechtsstand liegen. Donnerwetter, der ist aber vorsichtig! Wir gehen von meinem Bunker nach vorn zu den Stellungen. Da lässt der doch tatsächlich einen Kranz von Soldaten als Schützenschleier vor sich her gehen! So im Halbkreis wie ein Schirm! Und dabei sind wir doch hinter der eigenen Linie. Diesen Weg gehe ich Tag und Nacht mehrmals, aber allein!

Ich habe den Eindruck, dass wir von den Russen intensiv beobachtet werden. Kürzlich war eine von den Schützenminen, die vor unseren Stellungen liegen, in der Nacht hoch gegangen. Als wir die Stelle am nächsten Morgen aufsuchten, fanden wir im hohen Gras eine Schleichspur, die in einem Gebüsch fünfzig Meter vor unseren Stellungen endete. Hier hatte also ein russischer Späher gelegen und aus nächster Nähe unseren Verkehr, die Lage unserer Stellungen, Feuerstellungen und Schützenlöcher, sowie die Stärke unserer Besatzung beobachtet.

Ein Soldat kommt angesaust und meldet, dass sich Russen vor den Stellungen befinden. Ich laufe mit nach vorn, fasse eine Gruppe zusammen und stoße in den Wald vor, obgleich im Augenblick kein Russe mehr zu sehen war. Wir laufen über eine trockene Bodenwelle, durchwaten in langen Sprüngen einen schmalen, versumpften Bachgrund und gelangen wieder auf trockenen Boden. Hier steht lichter Kiefernwald. Der Boden ist von einer dicken Schicht trockener Äste bedeckt, die das Laufen erschweren. Aus dem Gewirr ragen einzelne Baumstümpfe heraus. Ich ducke mich hinter einen Baumstumpf, um einen Augenblick zu beobachten. Da bewegt sich etwas! 25 Meter vor mir hockt ein Russe genau wie ich hinter einem Baumstumpf und guckt hervor. Er scheint mich nicht gesehen zu haben, denn er pendelt mit dem Kopf hin und her, als wenn er etwas genauer sehen möchte und nicht erkennen kann. Hätte er sich nicht bewegt, dann hätte ich ihn auch nicht erkannt. Wie ich mich aber zum Sprung etwas aufrichte, erkennt er mich durch meine Bewegung. Eine Sekunde lang sehen wir uns in die Augen, abwartend, mit größter Spannung. Dann schnelle ich vor und springe auf ihn zu. Da wendet er sich blitzschnell um, verliert bei dieser Bewegung seine Wattejacke und läuft wie ein Wiesel davon. Ich brülle: „Stoi, stoi!“[3], jage ihm im Laufen ein paar Feuerstöße aus meiner MPi nach, stolpere über dieses verdammte Astwerk – und sehe plötzlich 30 Meter links von mir ein ganzes Rudel erdbrauner Gestalten aufspringen und in geducktem Lauf davoneilen wie ein Rudel aufgescheuchter Rehe. Es waren mindestens zehn Mann. Die hätten mich ja spielend abknallen können, bevor sie fortliefen! Ich war meinen Männern im Eifer des Gefechts voraus geeilt, ohne darauf zu sehen, ob sie mir auch folgen. Zwar ist das eigentlich selbstverständlich, aber was heißt das schon. Sie müssen aber wohl dicht hinter mir gewesen und bei meinem Aufspringen auch mitgesprungen sein, denn ich kann mir nicht denken, dass der ganze Russenhaufen vor mir allein weggelaufen wäre. Wie sie laufen! Sie huschen durch das Unterholz. Ab und zu sieht man einen braunen Rücken auftauchen, aber gleich schlagen die Büsche wieder hinter ihm zusammen. Sie flitzen fast lautlos, sie sind schneller als wir. Ich gebe die Verfolgung auf, noch einmal sehen wir sie auf einer Schneise auftauchen. Sie blicken zurück, als ich mit meiner ganzen Gruppe auf dem Waldweg stehe und ihnen nachschaue. Da schießt einer noch einmal zurück, bevor sie endgültig verschwinden.

Da wir nun schon einmal hier sind, beschließe ich, mir die Gegend etwas genauer anzusehen. Wir folgen dem Waldweg, der auf den Donez zu verläuft und erreichen nach einiger Zeit einen kleinen versumpften Wasserlauf, in dem zwei russische Panzer versackt sind. Ich präge mir die Gegend ein, und dann kehren wir zurück. Unser einziges Beutestück ist eine Wattejacke. Leider hatte der Iwan keine Papiere bei sich. Aber russische Späh- oder Stoßtrupps haben das nie.

Einige Tage später werden mir noch einmal Russen vor der Stellung gemeldet. Diesmal will ich es schlauer anfangen. Ich teile zwei Gruppen ein, die links und rechts von den gemeldeten Russen in den Wald eindringen. Wir wollen uns dann nach einer Zangenbewegung hinter den Russen treffen und ihnen den Weg abschneiden. Aber sie haben den Braten wohl gerochen und ziehen sich fluchtartig zurück.

Es ist auffallend, dass sich die Sowjets nie auf ein Gefecht eingelassen haben. Sie haben nicht einmal aus nächster Nähe geschossen, was sie mehrmals mit Erfolg hätten tun können. Sie haben zweifellos den Auftrag, nur zu beobachten.

Selbstverständlich versuche ich, das Verhalten der Russen zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen, soweit das beim Russen möglich ist. Auch mein eigenes Verhalten unterziehe ich einer nachträglichen „Manöverkritik“. Als ich mir die Scharmützel hier unten in unserem Buschkrieg in Ruhe durch den Kopf gehen lasse, schien mir doch, als wenn ich bei dem ersten Zusammenstoß etwas unvorsichtig war. Was wäre, wenn mir die Männer nicht schnell genug gefolgt wären? Vorsicht ist natürlich gut, aber ein Schutzengel ist besser. Und dass ich einen Schutzengel habe, ist mir unumstößliche Gewissheit. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich mich im Vertrauen auf ihn unnötig in Gefahr begebe. Nur bei Dummheit hilft er, wie bei Kindern, die ahnungslos in eine Gefahr rennen. Und dazu hat er bei mir oft genug Gelegenheit.

Vorsicht hat mit Feigheit nichts zu tun. Aber Tollkühnheit hat auch nichts mit Mut zu tun. Mut ist jedoch eine unbedingte Forderung für den militärischen Führer. Ich denke da an einen Fall. Ein junger und noch wenig fronterfahrener Leutnant wird mit einem Melder nach vorn in die Stellungen geschickt, um Befehle zu überbringen. Auf dem Gelände liegt Streufeuer der feindlichen Artillerie. Der Melder merkt, dass der Leutnant etwas zögert und erbietet sich, das letzte Stück bis nach vorn allein zu gehen und den Leutnant hier wieder zu treffen. Der Leutnant ist einverstanden und bleibt zurück, um auf die Rückkehr des Melders zu warten. So geschah es auch. Aber später erzählte der Melder, dass der feige Leutnant zurückgeblieben sei und er allein nach vorn gegangen sei. Nein, da will ich mich lieber an den Grundsatz eines französischen Militärs halten: „Périssez dans le combat plutôt que de faire douter de votre courage!“ Lieber im Kampf umkommen als Zweifel an seinem Mut aufkommen lassen. Zugegeben, es ist leichter gesagt als getan, wenn es soweit ist. Aber manchmal denkt man in der Hitze des Gefechts gar nicht an die Gefahr und ist hinterher erstaunt, dass man eine mutige Tat vollbracht hat.


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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. The XXXX. Pz.K. reported this incident as part of its "Zwischenmeldung" on 17 May 1943 at 1515: "257.I.D.: During the repulse of a reconnaissance party advancing in the morning hours north of Sagorodnoje, 1 Obergefreiter fell wounded or dead in Russian captivity." (KTB 1.PzA, NARA T-313 Roll 58 Frame 7294010) A similar incident on 27 Apr 1943 (KTB 1.PzA, NARA T-313 Roll 48 Frame 7282638) does not fit into the sequence of events.
  2. Baumann führte 1944, bevor er fiel, die 10. Kompanie. Daher müsste das hier genannte nördlich gelegene Nachbarbataillon das III./477 gewesen sein, während der Autor sicher dem I./477 angehörte.
  3. Стой! oder Стои! Warte! Bleib (stehen)!