22. Dezember 1943

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO & MIL INFO
Übernahme auch der 10. Komp.

Die Bolschewisten greifen unsere Stellungen schon wieder an. Gleichzeitig liegt unser Dorf unter Artilleriebeschuss.[1] Ich bin beim Bataillonsgefechtsstand, wie immer in solchen Fällen. Da kommen von der Höhe Landser herunter. Sie kommen aus Richtung der alten Front, die bisher noch gehalten hat. Es werden immer mehr. Anfangs hätte man glauben können, dass es Verwundete oder Melder seien. Jetzt ist aber deutlich, dass sie zurückgehen. Die Front scheint zu zerbröckeln. Ich bekomme den Auftrag, die Männer abzufangen und in die Linien zurückzubringen. Also laufe ich durch die Fontänen der krepierenden Granaten den Landsern entgegen, die in aufgelösten Gruppen den Hang herunterkommen. Ich halte sie an. Aber während ich die Landser auf der linken Seite zum Stehen bringe, laufen sie auf der rechten Seite weiter zurück. Wende ich mich zu diesen, versuchen die Linken wieder, sich nach rückwärts zu mogeln. Sie sind völlig demoralisiert. Nach der Nervenbelastung, der diese armen, ausgemergelten und übermüdeten Landser in der letzten Woche ausgesetzt waren, ist es verständlich. Aber es hilft nichts, wir müssen durchhalten.

Inzwischen hat der Russe sein Artilleriefeuer verstärkt. Bruch-bruch – die Einschläge kommen näher. Brummm-brachch. Ich werfe mich flach auf den Boden. Die Explosionen zerfetzen die weiße Schneedecke und jagen schwarze Erdfontänen wie zackige Kronen in die Luft. Verdammt, sind die Einschläge nahe! Zwanzig Meter, fünfzehn Meter. Und ich liege fast ohne Deckung auf ebener Erde. Nur kleine, flache Furchen bieten einen eingebildeten Schutz. Bei jedem Einschlag drücke ich mich tief in die steinhart gefrorenen Erdschollen. Langsam rollen die Salven den Hang hinunter, eine Feuerwalze. Möglicherweise gilt sie den zurückgehenden Landsergruppen. Die wären immer mit dem Feuer mitgelaufen, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte. Immer noch krachen die Einschläge in unserer Nähe, und jedesmal werfe ich mich flach auf den Boden, während steinharte Erdbrocken auf meinen Rücken trommeln.

Das Feuer lässt nach, die Landser stehen allmählich wieder auf. Ich sammle sie und bringe sie wieder zu ihren Stellungen zurück. Aber nicht alle. Eine Anzahl von ihnen ist doch nach hinten getürmt. Das sind die, die dann hinten von „Trommelfeuer“ und „unzähligen Toten“ reden. Da ist der Russe dann „durchgebrochen“, da ist „alles tot“ und wie diese Ausreden dann alle heißen.

Nachdem die Männer oben wieder in ihre Stellungen gegangen sind, gehe ich allein zurück. Ein Hase liegt vor mir im Schnee. Ihm fehlt der Kopf. Den muss ihm die Pakgranate abgerissen haben, denn daneben ist eine lange, schmale schwarze Rille, die die rasante Granate in die weiße Schneedecke geritzt hat.

••• S. 166 •••Im Zurückgehen komme ich an einem Granattrichter vorbei, in dem ein Landser hockt. Auf meine Frage gibt er sich als Verwundeter aus. Er hat aber nichts, und ich schicke ihn wieder nach vorn. Der wollte hier in Ruhe den Abend abwarten und dann nach rückwärts Boden gewinnen. Glücklicherweise halten die meisten noch durch, aber die Zahl derer, die am Ende ihrer Kräfte sind und die Ausweglosigkeit dieses Krieges sehen, wird größer.

Bis in die späte Nacht hinein bellen die sowjetischen Pak, grollt die rote Artillerie, laufen Melder durch die Winternacht, bringen Munitionsschützen leere Kästen nach hinten und schleppen volle nach vorn, klappern Essenholer mit ihren Kochgeschirren nach vorn, mit wiegenden Schritten über die hartgefrorene Erde balancierend.

Ich bin gerade zum Bataillonsgefechtsstand zurückgekehrt und sitze in der Stube des Kommandeurs, als der Führer der 10. Kompanie hereinkommt. Er hat eine schwere Knieverletzung und muss ins Lazarett. Der Kommandeur befiehlt mir daraufhin, sofort die Führung der 10. Kompanie zu übernehmen. Ich gehe also nach vorn und richte mich im Gefechtsstand der 10. Kompanie ein. Es ist ein einfacher Erdbunker. Er liegt gegenüber der Brücke am Dorfausgang auf halber Höhe des Hanges. Ich kann also ins Dorf gucken. Am Boden des Bunkers ist eine Strohlage ausgebreitet, in der Ecke liegt eine Decke, daneben steht der Feldfernsprecher. Das ist alles, und es genügt. Was ich sonst noch brauche, habe ich in meinem Brotbeutel. Dazu Fernglas, Kartentasche und Maschinenpistole.

Hier verbringe ich nur eine Nacht. Der Russe greift zwar nicht an, aber er beunruhigt uns durch pausenloses Artilleriefeuer. Man weiß nie, ob er bei einer Feuerpause angreift. Er will uns wohl zermürben, oder er hat auf lange Sicht doch noch etwas vor.


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  1. Gem. KTB PzAOK 1, NARA T-313 Roll 62 Frame 7297725 zerschlug eigene Artillerie feindliche Bereitstellung.