September 1942
GEO & MIL INFO | ||||
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12. oder 13.: Abfahrt in Berlin 13.: –Troyes |
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14.: –Le Mans? (Leitstelle, Schlachtereizug) | ||||
15.: –Landivisiau, Pont Neuf | ||||
oder Landerneau, Pont Neuf | ||||
ab 22.08.: Verlegung der Division in die Bretagne[1] | ||||
XXV. A.K. | 7. A. | |||
KG: Gen d Art Fahrmbacher[2],WP | OB: GenOb DollmannWP |
••• S. - keine fundierte Datierung möglich, auch aus dem Buch „MUZ“ ergeben sich keine genaueren Anhaltspunkte; EVTL. 1942/September/12 •••Urlaubsende. Rückfahrt zur Truppe. ••• S. - EVTL. 1942/September/13 •••In Troyes[4] muss ich umsteigen, kann aber erst am nächsten Tag weiterfahren. Ich belege also einen Platz im Wehrmachtsübernachtungsheim und mache dann noch einen Stadtbummel. ••• S. 109a: Karten, umseitig Liste „Der Vormarsch ging über folgende Ortschaften“; S.110 •••Auf einem großen Platz ist Rummel mit Luftschaukel, Karussell, Schießbuden und Musik, durch die ich angelockt worden war. Zwischen den Buden und Zelten wimmelt es von französischer Jugend und deutschen Soldaten. Auch Gilberte Müller ist da, Französin mit flachsblondem Haar und blauen Augen. Wahrscheinlich elsässischer Abstammung. Dieser Farbkombination bei einem Mädchen kann ich nicht widerstehen. Wir gehen zu ihren Eltern in die Wohnung und bleiben dann bis zum Einbruch der Dunkelheit zusammen. Es ist stockdunkel und nebelig, als ich mich von ihr verabschiede und dann an einem Kanal entlang zum Übernachtungsheim pirsche.
••• S. - EVTL. 1942/September/14; dieser Ort lässt sich auch unter Heranziehung des MUZ-Buches nicht identifizieren! •••In NN[5] muss ich nochmals aussteigen, um mich bei der Leitstelle nach dem jetzigen Standort meines Bataillons zu erkundigen. Durch meinen Zwangsaufenthalt in Troyes hatte ich meine Marschverpflegung aufgezehrt und spürte nun einen Bärenhunger. Im Wehrmachtsheim bekam ich nichts mehr, weil die Marschverpflegungsstelle schon geschlossen hatte. (Diese elende Etappenbürokratie!) Es war inzwischen dunkel geworden, und ich beschloss, mir zunächst ein Nachtquartier zu suchen. Während ich so durch die Gegend streune, komme ich an einer Baracke vorbei, in deren erleuchteten Stuben ich Landser sitzen sehe. Ich gehe hinein und frage, ob sie vielleicht ein Bett für mich frei hätten. Sie luden mich gleich zum Sitzen ein, und bald war ein lebhaftes Gespräch im Gange. Als ich ihnen von meinem Hunger erzählte, gingen sie an ihre Spinde und holten heraus, was sie gerade noch so übrig hatten: Halbe Kommissbrote und ellenlange Würste. Ich war nämlich bei einem Schlachtereizug gelandet!
Nachdem ich am andern Morgen den Standort meines Bataillons erfahren hatte, fuhr ich mit dem Zug weiter und steige in NN[6] aus, wo ich Feldwebel Nadler gerade noch mit dem Gegenzug vorbeifahren sehe.[7] Er fährt in Urlaub. Nach längerem Fußmarsch erreiche ich dann Pont Neuf[8], einen kleinen Ort, in dem meine Kompanie liegt.
Ich wohne in einem richtigen Schlafzimmer. Nebenan wohnt eine junge Frau, deren Mann in deutscher Gefangenschaft ist. Sie hat gerade Nachricht von ihm bekommen, dass mit seiner baldigen Heimkehr zu rechnen ist. Die junge Frau ist glücklich und meint, wenn die Deutschen das täten, wäre es eine sehr menschenfreundliche Geste. Der Mann kam tatsächlich einige Tage später nach Hause. Wenn ich recht unterrichtet bin, sollte diese Entlassung als Dank dafür erfolgen, dass sich die französische Bevölkerung bei dem britischen Landeversuch in Dieppe so korrekt neutral verhalten hatte.
Heute wird mir auf der Schreibstube die Ostmedaille mit Verleihungsurkunde[9] offiziell überreicht. Eigentlich heißt sie „Medaille für die Winterschlacht im Osten 1941/42, im Kampf gegen den Bolschewismus“. Im einfachen Sprachgebrauch „Ostmedaille“ und im schnoddrigen Landserjargon „Gefrierfleisch-Orden“.
Wir machen wöchentlich eine Kompanieübung und alle zwei Wochen eine Bataillonsübung. Da es hier viel regnet, werden wir dabei meist tüchtig nass. Vor allem die Bataillonsübungen sind bisher alle verregnet. Bei einer dieser Übungen wurde ich vom Bataillonsführer[10] mit der Führung der MG-Kompanie beauftragt. Schon während des Anmarsches bekam ich vom Bataillonsführer einen fürchterlichen Anpfiff, weil die Spaten an den Fahrzeugen nicht geputzt waren. Etwas Besseres war ihm nicht eingefallen. Er sucht krampfhaft einen Grund, mich abzukanzeln. Abends saßen wir dann alle wieder friedlich beisammen, als das Abendessen im Kasino beendet war. (Als OA-Feldwebel war ich bei vielen dienstlichen und außerdienstlichen Gelegenheiten mit dem Offizierskorps zusammen.) Aber mein Kompanieführer Max Müller konnte es sich nicht verkneifen, zu meinem Trost und zum Ärger des Bataillonsführers eine anzügliche Bemerkung wegen der Spaten zu machen. „Siehst Du“, sagte er zu mir, „ein Bataillonsführer kann auch nicht alles zugleich überschauen, deshalb nimmt er sich bei der Besichtigung heute die MGs und morgen die Spaten vor. Irgendetwas findet er dann immer zu kritisieren. So macht man das nämlich!“ Und dann grinst er ganz spitzbübisch. Der Batailloner[11] sagt kein Wort.
Bei der nächsten Übung bekommt der Batailloner vom General eine geharnischte Standpauke, weil die Bereitstellung nicht geklappt hat.
Bei der dritten Übung hat mich der Bataillonsführer wieder beim Wickel. Auf einem Hügel drückt er mir eine Karte in die Hand und verlangt eine Lagebeurteilung. Ich absolviere diese Aufgabe ganz schulmäßig, und er findet keinen Anhaltspunkt für eine Kritik. Er hatte nämlich den Fehler gemacht, seinen Adjutanten in seine Absicht einzuweihen, mich zu prüfen. Der Adju, der ••• S. 111 •••mich gut leiden mag, hatte daraufhin nichts Eiligeres zu tun, als mich über diese Absicht zu informieren.
Der Bataillonsadjutant, Leutnant Gawletta[12], ist erst kürzlich zu uns gekommen. Er ist groß, schlank, blond und von Beruf katholischer Theologiestudent.
Wir haben eine zweitägige Regimentsübung hinter uns. Kriegsmäßiger Flussübergang und Bildung eines Brückenkopfes. Es regnete natürlich wieder. Nach dem Flussübergang stärkten wir uns erst mal mit umgehängter Zeltbahn an der Feldküche mit einer Erbsensuppe. Die Übungen dienen u. a. natürlich auch der Schulung der Führer und Unterführer. Wenn ich es rückschauend bedenke, dann haben sie auch mich dabei ganz schön unter die Lupe genommen.
Einer unserer Offiziere erzählte mir, dass im Offizierskorps des Bataillons meine Beförderung zum Leutnant erörtert worden ist. Auch dieser Offizier ist neu im Bataillon, ein sehr junger, aus der HJ hervorgegangener Leutnant von offenem, freundlichem Wesen. Ich erfahre von ihm, dass der Bataillonsführer gegen meine Beförderung ist, während sich alle anderen Offiziere ausnahmslos für mich eingesetzt hatten. Ganz besonders energisch haben sich mein Kompanieführer Max Müller und der Bataillonsadjutant für mich ausgesprochen.
Soeben erzählt mir jener Leutnant wieder: „Heute nachmittag hat es Ihretwegen beim Bataillon wieder fürchterlichen Krach gegeben. Es sind harte Worte dabei gefallen!“
Heute sind wir kurz vor dem Mittagessen im Zimmer versammelt. Ich stehe am Fenster und blicke gedankenverloren hinaus. Die anderen Offiziere stehen in Gruppen im Zimmer herum. Da tritt Max Müller an mich heran, klopft mir auf die Schulter und sagt unvermittelt: „Herbert, bist doch ein prima Kerl!“ Ich war so überrascht, dass ich gar nichts zu antworten wusste und ihn nur blöde anlächelte. Natürlich war ich sehr erfreut über diese spontane Sympathiebezeugung, aber es war typisch für mich, dass ich nicht einmal ein paar freundliche Worte der Erwiderung fand, in meinem Mangel an spontaner Reaktionsfähigkeit.
Heute hatte ich zufällig Gelegenheit, einen Blick in meine Personalakte zu werfen. Sie lag – absichtlich? – offen auf dem Tisch der Kompanieschreibstube. Ich lese meine Beurteilung: „... anständig... als Zugführer im Angriff bewährt... zeigt Umsicht und Entschlossenheit in der Abwehr...“ Mehr habe ich leider nicht behalten, aber es stand nur Positives drin.
Es ist die Zeit der Obstreife. Das Fallobst liegt massenweise in den Gärten und auf den Wegen. Mein Bursche hat einen ganzen Waschkübel voll gesammelt, so dass wir immer Obst im Hause haben. Kürzlich ging ich an einem Garten vorbei, in dem einige Franzosen gerade bei der Obsternte waren. Da winkt mir ein altes Mütterchen, stehen zu bleiben. Dann kommt sie an den Zaun und drückt mir einen ganz besonders schönen Apfel in die Hand. Ich bedanke mich sehr herzlich und bin über diese symbolhafte Geste mehr erfreut als über den Apfel.
Auf meinen Gängen durch den Ort komme ich öfter an einem Garten vorbei, in dem eine junge, sehr chic gekleidete Frau lesend in einem Liegestuhl ruht. Eines Tages gehe ich durch den Vorgarten einfach zu ihr hin und beginne unter einem Vorwand ein Gespräch. Ich erfahre, dass sie aus Paris ist und hier ihren Urlaub verbringt. Hübsch ist sie übrigens gar nicht, und deshalb beschränke ich mich auf Konversation.
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente |
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen |
- ↑ Ab dem 22.08.1942 erfolgte die Verlegung in den Raum Chateaulin–Ostteil H.I. Crozon–Landerneau–Landivisieau (Benary S. 108); das I.R. 477 verlegte offenbar erst, während der Autor in Urlaub war, d. h. nach dem 30.08., aber weit vor dem 14.09.
- ↑ LdW, Benary S. 110: Div im Raum nördl. Morlaix–Brest–H.I. Crozon
- ↑ Benary S. 109
- ↑ Der Autor wollte offenbar über Troyes nach Mailly-le-Camp, weil er nicht wusste, dass das Regiment inzwischen in die Bretagne verlegt worden war. Direkt in die Bretagne wäre er nicht über Troyes gefahren. Für diese Fahrt musste er gute 24 Stunden einplanen. Um am 14. zu Dienstbeginn zu erscheinen (falls das auch damals die Regel war), musste er also am 12. abends oder am 13. frühmorgens in Berlin abfahren. Aus dem 14. Verzeichnis der SF-Züge ergeben sich keine weiteren Anhaltspunkte. Die Daten bleiben so unsicher, dass dafür keine eigenen Wiki-Artikel angelegt werden können.
- ↑ Am ehesten kommt Le Mans in Frage, wo der vermutlich benutzte Zug um 23:21 Uhr eintraf.
- ↑ vermutlich Landivisiau, eventuell auch Landerneau, vgl. folgende Fußnoten
- ↑ Gem. 14. Verzeichnis der SF-Züge könnte diese Begegnung in Landerneau nur stattgefunden haben, wenn der Autor keinen SF-Zug benutzt hat, ansonsten vielleicht schon vorher in Le Mans oder Bar-le-Duc.
- ↑ Es gibt viele Orte bzw. Ortsteile des Namens „Pont Neuf“. Der wahrscheinlichste liegt bei Loclémar südlich von Landivisiau, zwei weitere bei Ploudaniel nördlich von Landerneau, damit streng genommen bereits außerhalb des Unterbringungsraums der Division, der gem. Benary S. 108 von Landerneau und Landivisiau begrenzt wird. Alle anderen sind zu weit außerhalb. Sonderzüge für Fronturlauber (SF-Züge) hielten aber offenbar nicht in Landivisiau. Wenn der Autor andere Züge benutze, ist die Reise überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.
- ↑ 9,0 9,1 Die noch vorhandene Urkunde wurde erst am 21.8.43 im Reservbelazarett Bad Schandau ausgestellt.
- ↑ Weiter unten wird sein Name mit Hauptmann Glaser angegeben.
- ↑ landsersprachlich für Bataillonsführer oder Bataillonskommandeur
- ↑ gem. Gräbersuche online und Vita des U-Bootskommandanten und späteren Benediktinerpaters Gabriel, Leo Maria Gawletta zweifellos dessen älterer Bruder Alban Gawletta