25. November 1941

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO & MIL INFO
Slawjansk Karte — map
II./477 Korpsreserve[1]

Wir werden ganz überraschend aus den Stellungen herausgezogen. Man sagt, dass wir Winterquartiere beziehen sollen. Aber vielleicht erfordert die Kriegslage auch eine Umgruppierung. Wir werden nach Slawjansk verlegt.[2]

Die Stadt zieht sich im Toreztal etwa zwölf Kilometer hin und ist eine durchschnittliche russische Industriestadt. Trotz ihrer 70 000 Einwohner hat sie in ihren Stadtrandgebieten noch weitgehend dörfliches Gepräge: Einstöckige, in Gärten gebettete Häuschen. Der Stadtkern hat mehrstöckige Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude, Kinos, gepflasterte Straßen und eine große Kirche, die auf einem großen Marktplatz im Stadtzentrum steht. Außerdem gibt es eine Reihe von Industrieanlagen und eine Kaserne.[3]

In der Stadt liegen zwei Divisionsstäbe[4] mit den dazugehörigen Nachrichten- und Versorgungseinheiten. Ferner etliche kleinere Sondereinheiten, Kampftruppen der Infanterie und Artillerie. Die Quartiere unseres Bataillons liegen nahe am Stadtzentrum, aber zum Teil doch schon im Gebiet der Holzhäuser. Die Kampfzüge und Fahrer werden möglichst gruppenweise in einem Haus untergebracht. Ich selbst ziehe in das Häuschen eines alleinstehenden Mannes. Er ist sehr freundlich und von unseren militärischen Erfolgen begeistert. Er zeigt mir eine Karte, auf der er unseren Vormarsch und die Frontlinie eingezeichnet hat. Das kleine Puppenzimmer, das ich hier bewohne, ist mir aber doch zu klein, und deshalb ziehe ich um. Mein neues Quartier ist ein Eckhaus in derselben Straße. Um in das Haus zu gelangen, muss man durch eine hölzerne Tür in einer Bretterwand neben dem Haus. Dann geht man um das Haus herum und betritt über ein paar Stufen und eine überdachte Terrasse das Haus. Es ist von einer russischen (diesmal wirklich russischen) Familie bewohnt. Der Mann und der etwa 16-jährige Sohn sind anscheinend berufstätig und nur abends zuhause. Die Frau muss etwa 50 Jahre alt sein, sieht aber viel älter aus. Sie ist klein und mager, aber ein liebes altes Mütterchen. Sie versorgt mit der etwa 15-jährigen Tochter das Haus. Hin und wieder habe ich mich zu den Leuten gesetzt und eine bescheidene Unterhaltung versucht. Das Thema in solchen Fällen ist zunächst immer der Familienstand, Alter, Beruf, Kinder und dergleichen. Es sind ruhige Leute, und besonders die gute Matka[5] ist rührend besorgt um mich. Einmal war eine kleine Gesellschaft junger Leute zu Besuch im Haus. Wahrscheinlich feierten sie ein Familienfest. Es gab zwar weder zu essen noch zu trinken, denn die Verpflegung war sehr knapp, aber es wurde getanzt. Als ich mich zufällig blicken ließ, forderte mich ein junges Mädchen gleich zum Tanz auf. So geriet ich in diese kleine Gesellschaft und tanzte noch mehrmals mit.

Ich bewohne ein Zimmer, in dem vorher wohl der Sohn oder die Tochter geschlafen haben. Es hat eines der üblichen Eisengestell-Betten, ist sehr sauber und ungezieferfrei. Ich bin sehr zufrieden hier.

Ich erwache mitten in der Nacht. Irgendwo an der Front rattert ein MG. Es erscheint ganz nah, denn die klare Luft der kalten Winternacht trägt den Schall laut und deutlich heran. Etwas beunruhigt bleibe ich wach, bis die Bettwärme und das Gefühl der Geborgenheit hier in der Ruhestellung mich wieder einschlafen lassen. Ich wusste nicht, wo die Front genau war. ••• S. 56 •••Ich weiß nur, dass unsere Frontlinie am Donez aus Mannschaftsmangel sehr dünn besetzt ist. In dem Sicherungsabschnitt unserer Division, der ca. 45 Kilometer lang ist, sind nur die Dörfer zu Stützpunkten ausgebaut. Zwischen ihnen aber befindet sich nur eine sehr lückenhafte Reihe von Stellungen, noch dazu in einem sehr unübersichtlichen Gelände. Und hier spielten sich, wie schon geschildert, kleine örtliche Gefechte und Kampfhandlungen ab, die den ganzen November und Dezember andauerten.

Hier in Slawjansk ist noch Ruhe. Unser Dienst beschränkt sich auf die notwendigsten Tätigkeiten, Waffenreinigen, Sacheninstandsetzen und Stalldienst für die Fahrer. Und selbstverständlich Nachtwachen. Tagsüber gehe ich von Quartier zu Quartier, mache den üblichen Kontrolldienst, unterhalte mich mit den Männern und den russischen Hausbewohnern. Richtiges Etappenleben. Trotzdem nennt sich das hiesige Kino der Truppenbetreuung Frontkino. Da waren wir heute. Die Vorstellung wird von einer Gruppe russischer Mandolinenspieler eröffnet, die ein paar schmissige Melodien hinrasseln. Anschließend singt eine russische Sängerin einige Lieder, und dann läuft die Wochenschau an. Auf der Leinwand erscheint ein Landser mit einer Gans unter dem Arm. Da unsere Landser aber wegen der augenblicklich sehr schlechten Verpflegungslage ziemlich ausgehungert sind, erntet das Bild das dröhnende Hohngelächter der Soldaten.[6]

Die Versorgungslage ist sehr schwierig: Ungeheuer weite Nachschubwege, die durch Partisanenüberfälle erschwert und durch viel Schnee und eisige Kälte behindert werden. Während des ganzen Monats Dezember bestand unsere kalte Verpflegung nur aus täglich 500 gr Brot und einem Päckchen Machorka. Dazu eine Tube Weichkäse. Dieser Tubenkäse kam uns schon zum Halse heraus und brachte unserer Division den internen Spitznamen „Käsedivision“ ein.


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Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000322, s. a. Frame 000196/222/224/167
  2. II./477 war ab 25.11.1941 Korpsreserve (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000322).
  3. Dieser Absatz teilweise wörtlich aus Benary S. 70.
  4. Gen.Kdo. XXXXIV. A.K. (KTB 257. I.D. Frame 000216), Stab I.R. 466 (Frame 000224), evtl. Kdo 295. I.D.
  5. Hier hat der Autor versehentlich das polnische Wort für Mutter verwendet, das auf Russisch „Gebärmutter“ bedeutet.
  6. Hier eine thematisch ähnliche Wochenschau (Nr. 585 vom 20.11.1941; ab Minute 02:25 geht es um Schlachtvieh und Winterpelzkleidung)