1940/August/9
Vorwort
Im Januar 1945 überfluten die Horden der Roten Armee die pommersche Heimat. Sie plündern und morden und vergewaltigen deutsche Frauen und Mädchen. Als sie sich Cammin nähern, entschließt sich meine Frau, unter Zurücklassung der gesamten Habe mit den beiden Kindern die Stadt zu verlas¬sen und nach Berlin auszuweichen. In der Camminer Wohnung war auch das Original-Tagebuch zu¬rückgeblieben. Ich selbst befand mich an der Front in Kurland.
Ich habe nun versucht, während meiner viereinhalbjährigen Zwangsarbeit in der Sowjetunion die Kriegsereignisse nochmals aus dem Gedächtnis stichwortartig niederzuschreiben. Aus diesen Notizen, die ich unter großem Risiko aus der Sowjetunion herausgeschmuggelt habe, sind dann später in der Heimat die vorliegenden Aufzeichnungen entstanden.
Ihnen fehlt sicher die Frische und Lebendigkeit der Original-Eintragungen, die oft unter dem erregen¬den Eindruck des gerade Erlebten zuweilen direkt auf dem Schlachtfeld geschrieben waren. Dafür sind sie vielleicht von größerer Objektivität, da sie die Ereignisse, durch spätere Erfahrungen bereichert, in gewissem Abstand sehen.
Vieles habe ich vergessen. Manche Episoden habe ich fortgelassen. In einigen Fällen konnte ich die chronologische Reihenfolge nicht mehr exakt rekonstruieren, und manche Daten werden auch nicht ganz genau stimmen. Aber die Geschehnisse selbst haben sich genau so abgespielt, wie ich sie ge¬schil¬dert habe.
Diese Blätter schildern das Leben eines Soldaten in Krieg und Gefangenschaft. Es sind Ausschnitte aus dem Wirkungsfeld und der Gedankenwelt eines Zugführers und späteren Kompaniechefs . Sie sind aufgeschrieben aus dem Wunsch heraus, diese neun Jahre härtesten Lebens und intensiven Erlebens mit ihrem reichen Erfahrungsschatz festzuhalten. Von diesen neun Jahren habe ich allein acht Jahre in der Sowjetunion zugebracht.
Bei meiner Heimkehr habe ich diese Aufzeichnungen und mein Soldbuch trotz strenger sowjetischer Kontrollen und nervenfressender Durchsuchungen in sicherem Versteck über die Grenze geschmug¬gelt. Ich war mir darüber klar, dass ich für weitere Jahre in die UdSSR zurückgeschickt worden wäre, wenn man diese Papiere bei mir gefunden hätte. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ob sich die¬ses Risiko für diese Blätter gelohnt hätte, ist allerdings fraglich.