31. August 1945

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English

31.8.45. Ein Transport kranker, arbeitsunfähiger Gefangener geht ab in die Heimat. Kurz vor der Abfahrt stirbt einer. Wir geben den Heimkehrern kurze Mitteilungen an unsere Angehörigen mit, die wir auf Zettelchen oder abgerissene Zeitungsränder schreiben. Das ist alles verboten. Es darf nichts Geschriebenes oder Gedrucktes mitgenommen werden, und die Heimkehrer riskieren ihren Rücktransport ins Lager, wenn man so etwas bei ihnen findet. Es ist das angeborene Misstrauen des Russen oder auch sein schlechtes Gewissen, dass ihn veranlasst, alle Vorgänge in seinem Land geheimzuhalten. Aber die Kameraden nehmen unsere Grüße mit. Ich habe mehreren Männern solche Lebenszeichen mitgegeben. Einer von ihnen war der Kamerad Bohndorf, Obergefreiter in unserem Korps-MG-Bataillon. Kurze Grüße auf einem Stück Papier. Sie haben sie alle in die Heimat durchgebracht. Bohndorf war persönlich bei meinen Eltern[1], und andere haben sich bei Carola persönlich oder brieflich gemeldet.[2] Völz und Adamiets sind mir noch in Erinnerung. Auf diese Weise hat Carola nach einem halben Jahr Ungewissheit das erste Lebenszeichen von mir erhalten.

Wir werden in ein frei gewordenes Haus gelegt. Ein kleiner Saal mit dreistöckigen Holzpritschen ohne Stroh. Wir schlafen auf den blanken Brettern. Einziger Überfluss sind die massenhaften Wanzen. Bei den Impfungen jagen sie uns solche Serummengen in den Körper, dass ich drei Tage lang Fieber habe.

Eines Tages sagte mir ein „Altgefangener“[3]: „Das Schlimmste an der Gefangenschaft sind nicht die Russen, sondern die eigenen Kameraden.“ Ich habe später immer wieder an diesen Satz denken müssen, denn er war leider nur allzu wahr.

Wir werden zur (Um-) Schulung durch die „Antifa“[4] in einen Saal geführt. In der sog. Antifa sind mit russischer Unterstützung alle diejenigen zusammengeschlossen, die aktiv gegen den Faschismus auftreten wollen. Es sind Kommunisten, Sozialisten, naive Christen, Mitläufer und clevere Gesinnungslumpen. Die Leitung dieses Haufens liegt selbstverständlich in den Händen von Kommunisten, und die Schulung ist reine kommunistische Indoktrination mit antideutschen Effekt. Es beginnt mit dem Angriff auf den Faschismus, dann gegen die Offiziere als Kriegsverlängerer und Helfer des Faschismus. Die Argumente sind so falsch, verlogen und naiv, dass es geradezu lächerlich ist. Es wird unruhig. Zwischenrufe unterbrechen den Agitator. Es gibt regelrechten Krawall. Seitdem sind wir als „Faschisten-Bataillon“ verrufen.

Immerhin werden Gottesdienste abgehalten, die von den Christen unter der Antifa ausgerichtet werden, und zwar von beiden Konfessionen. Die Messen sind brechend voll, ca. 600 Teilnehmer.

120 Mann sind getürmt. 100 von ihnen werden wieder eingefangen, davon sind 32 tot. Das Lager muss antreten. Der russische Lagerkommandant erklärt, dass im Wiederholungsfall ein „Exempel statuiert werde.“ In den Reihen erhebt sich unwilliges Gemurmel, denn das ist völkerrechtswidrig. Die Flucht eines Gefangenen darf nur disziplinarisch bestraft werden. Die 32 Toten sind mit Sicherheit „auf der Flucht“ erschossen worden, wie man diese Morde umschreiben kann.

Verpflegung (auf dem Papier!): 600 g Brot, 200 g Nährmittel, 70 g Fleisch, 40 g Zucker, 15 g Tabak. Laut Genfer Konvention erhalten Kriegsgefangene die bei den rückwärtigen Einheiten des Gewahrsamslandes übliche Verpflegung. Da die Verpflegungssätze der Roten Armee aber für Offiziere höhere Rationen vorsehen, als für Mannschaften, erhalten wir hier in der Sowjetunion – wenigstens auf dem Papier – bessere Verpflegung als unsere Mannschaften. In manchen Lagern erhielten wir sie auch tatsächlich.


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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. Er hat sich dann auch noch brieflich über den Autor geäußert.
  2. Viele dieser Briefe sind noch erhalten, siehe gesonderte Dokumentation.
  3. Kamerad, der schon während des Krieges in Gefangenschaft geraten war
  4. Antifa bedeutet gem. Keßler (S. 43, 48, 58) „Antifaschistisches Aktiv“ (auf S. 70: „Antifaschistische Lagergruppe“, gem. Reinhard Rurup (Hg.): Война Германии против Советского Союза 1941-1945, Argon, Berlin 1991, Abschnitt Nationalkomitee „Freies Deutschland“: „Antifaschistisches Lagerkomitee“; diese wurden vom Nationalkomitee Freies Deutschland organisiert. Der Autor verwendet „Antifa“ nur in diesem Sinne; den heutigen Antifa-Begriff für die autonome politische Linke gab es noch nicht.