12. Mai 1943
Sowjetische Granatwerfer belegen das Dorf jetzt häufiger mit Störfeuer.[1] Ich habe mir daher hinter dem Haus ein kleines Deckungsloch gegraben. Eigentlich wollte ich es abwechselnd mit meinem Putzer buddeln, aber der stinkend faule Kerl hat nicht einen Spatenstich daran getan. Da ich aber gern arbeite, hat es mir nichts ausgemacht. Ich merke mir das aber und kriege ihn mal heran, wenn es ihm noch viel unangenehmer ist. Einmal putzte er gerade meine Stiefel, während ich schippte. Als ich ihm dann sagte, sobald er fertig sei, könne er mich ablösen, da hat der Kerl noch eine halbe Stunde an den Stiefeln herumgefummelt, nur um nicht schippen zu müssen.
Diese Putzer oder Burschen waren in ruhigen Zeiten bei den Zug- und Kompanieführern Mädchen für alles. Im Einsatz fungierten sie dann als Melder. Aber mein jetziger war für beide Funktionen ungeeignet. Auch als Soldat taugte er nichts. Ich hatte ihn nur deshalb zu mir genommen, weil keine Gruppe ihn haben wollte. Lange Zeit später – der Kerl war längst nicht mehr bei uns – bekam ich von ihm einen Brief, worin er mir mitteilte, dass er sich als Offiziersbewerber gemeldet hätte und mich bat, eine Beurteilung über ihn zu schreiben und an eine angegebene Dienststelle zu schicken. Ich haben ihm eine Beurteilung geschrieben, korrekt und wahrheitsgetreu, aber für ihn wäre es besser gewesen, er hätte mich nicht darum gebeten.
Ich hatte aus der Heimat Schokoladenpuddingpulver geschickt bekommen und mir ein Kochgeschirr voll von dieser meiner Lieblingsspeise gekocht. Um sie noch etwas abkühlen zu lassen, stellte ich sie in mein Deckungsloch. Als ich den Pudding dann herausholen wollte, sehe ich gerade eine Katze aus dem Loch kommen. Unheil ahnend, steige ich hinunter, und stelle fest, dass dieses Biest von dem Pudding gefressen hatte. Wutschnaubend renne ich ins Haus, hole meine MPi und laufe der Katze nach, um sie zu erschießen. Sie nimmt Reißaus, und ich setze ihr nach. Mehrmals lege ich auf sie an, aber sie verschwindet zwischen dem Gartengemüse. Ich weiß, dass die Russen mich sehen, aber mein Zorn ist größer als meine Vorsicht. Trotzdem muss ich ohne Jagdglück umkehren. Ich bin immer noch wütend. Eine solche seltene Kostbarkeit für die Katze!
Ich bin jetzt Stellungsbau-Offizier und muss in Zusammenarbeit mit dem Bataillonsadjutanten Gawletta den Zustand der Feuerstellungen überprüfen, die Anlagen verbessern, neue Stellungen aussuchen und ausbauen, sowie die Stellungs- und Feuerpläne vervollständigen. Auch müssen Pläne für neu angelegte Minenfelder gezeichnet werden. Meine wichtigste Aufgabe ist im Augenblick der Bau eines Stacheldrahtzaunes, der vor dem gesamten Bataillonsabschnitt entlanglaufen soll. Nacht für Nacht bin ich jetzt vor den Stellungen, um mit den Pionieren den Verlauf des Drahthindernisses festzulegen. Unsere Arbeit wird durch einen Schützenschleier gesichert, den ich schon vorher gegen den Feind in das waldige Vorgelände vorgeschoben habe.
Vor dem Dorf steht der Zaun schon. Er verläuft unten in der Talebene parallel zu dem Steilabfall. Der Hang ist hier fast fünfzig Meter hoch und von tiefen, steilwandigen Schluchten zerschnitten, die das Regenwasser ausgespült hat. Jahr für Jahr fressen sich diese Balkas weiter in den Hang und in das Plateau hinein. Rückschreitende Erosion sagt der Geograph dazu. Manche dieser Balkas sind mit Buschwerk bewachsen, andere zeigen ihre kahlen Flanken mit dem nackten Boden wie eine tiefe, klaffende Wunde an den Hängen der grasbewachsenen Hochebene. Eine dieser Schluchten hat sich schon so weit nach rückwärts gefressen, dass sie das erste Haus auf der linken Seite des Dorfes erreicht hat. Die Kate steht schon bedrohlich nahe am Rand der steilwandigen Schlucht, und eines Tages wird das Haus mitsamt dem Garten in die Balka hinabrutschen.
Uns sind diese Balkas zuwider, weil sie unsere Front immer wieder zu Ausbuchtungen zwingen und weil sie das Gelände unübersichtlich machen. Vor ••• S. 132 •••allem aber, weil die Russen sie mit Vorliebe benutzen, um sich an unsere Stellungen heranzupirschen.
Die Hänge des Steilufers sind größtenteils mit Gras bewachsen. Nur stellenweise reicht der Wald auch bis an den oberen Rand. Die Hochfläche ist von den Riesenfeldern der Kolchose oder von ausgedehnten Weiden bedeckt. Die Felder werden von der Dorfbevölkerung bearbeitet.
Unser Bataillonsabschnitt reicht nach Nordosten noch einige Kilometer über das Dorf hinaus. Die Stellungen der Schützenkompanien liegen hier am vorderen Rand des Plateaus. Von hier oben blickt man über das mehrere Kilometer breite, dicht bewaldete Doneztal. Wie ein riesiges grünes Moospolster dehnt sich dieser zum Teil versumpfte Wald unter uns bis zum Horizont, wo man gerade noch den jenseitigen Talrand erkennt. Nur stellenweise wird das helle Band des Flusses zwischen dem grünen Wald sichtbar. Ganz hinten in der Ferne erkennt man ein großes Dorf in einer ausgedehnten Rodungsinsel.[2]
Vor unserem Dorf kommt der Donez in einem gewaltigen Bogen dicht an den Talhang heran, fließt eine Strecke daran entlang und entfernt sich dann wieder. Die unteren Häuser des Dorfes reichen bis an den Fluss heran, der hier ca. fünfzig Meter breit ist. In und an den Häusern liegen unsere vorderen Stellungen, denn auf der anderen Flussseite, wo der dichte Wald sofort am Ufer beginnt, liegen nachts schon die sowjetischen Vorposten.[3] Man kann beinahe eine Handgranate hinüberwerfen. In der Nacht kämmen unsere MGs von Zeit zu Zeit den Waldrand mit kurzen Feuerstößen ab, um etwaige russische Späher oder Scharfschützen zu verunsichern. In letzter Zeit machen sich unsere Landser schon einen Ulk daraus, indem alle MGs gleichzeitig im Takt zwei längere und drei kürzere Feuerstöße abgeben. Dann dröhnt an der ganzen Front das taktmäßige Rattern der MGs durch den Wald: Rrrrrt-rrrrt-rrt-rrt-rrt, wie die Pauken des Deutschen Jungvolks bei ihren Aufmärschen[4]. Diesen Scherz haben unsere Landser von der SS übernommen. Aber die konnten sich das leisten. Für uns ist es Munitionsverschwendung. Auf meine Vorstellung hin wird es vom Bataillon verboten.
Als Führer der schweren Waffen habe ich ein besonders großes und starkes Fernglas. Damit suche ich zuweilen den Wald ab. Manchmal sehe ich braune Gestalten im Wald herumlaufen. Solange sie im Schatten der Bäume bleiben, sind sie nicht zu sehen. Sobald sie aber durch einen Sonnenstrahl laufen oder in der Sonne stehen, leuchtet ihre Uniform auf.
Eine meiner Werfergruppen hat ebenfalls eine Gruppe schanzender Bolschewikis erkannt. Es ist ein eigenartiges Gefühl, den ahnungslosen Gegner so nah durch das Glas zu sehen. Es ist, als ob man ihn mit der Hand greifen könnte. Nachdem die Roten ihre Arbeitsstelle verlassen hatten, schossen sich unsere Werfer auf diesen Platz ein, und als die Iwans am nächsten Morgen wiederkamen, hauten unsere Werfer dazwischen. ••• S. 132 Haupttext nach dem 12.5.43 unterbrochen, folgender Abschnitt „3 russ. Jagdflieger landen“ an den Anfang des 1.7.43 verschoben •••
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente |
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- ↑ Bis zum 12.05.1943 wird nur selten vereinzeltes, schwaches oder geringes Granatwerfer-Störungsfeuer, manchmal auch nur allgemein Störungsfeuer gemeldet, ab 26.04. überwiegend Granatwerfer-Feuer, was auf höhere Intensität hindeuten kann; am 12.05. wird ausdrücklich verstärktes Granatwerferfeuer genannt (KTB 1.PzA, NARA T-313 Roll 48 Frame 7293926 sowie davor und danach). – Der offizielle Begriff lautet Störungsfeuer.
- ↑ Wahrscheinlich Tscherwonyi oder Iwanowka
- ↑ Diese hatten sich seit dem 21.04. unaufhaltsam an den Fluss herangeschoben (KTB 1.PzA, NARA T-313 Roll 48 Frame 7282520, 567, 623, 665).
- ↑ Ein Dokumentarfilm zeigt solche Trommler (leider ohne Originalton, ab Minute 00:40)