Teil V: Das letzte Jahrzehnt. Historische Wandlungen und ein neuer Fachdienst Die in diesem Teil präsentierten Fakten beruhen auf den eigenen Erlebnissen des Verfassers.

Reduzierungsphase: Nach der Wende

Konkurrenz durch allseitiges Engagement

Die Wiedervereinigung zog auch umfangreiche Veränderungen in der Bundeswehr einschließlich ihrer Stationierung nach sich. Die Luftwaffenstruktur 4 wurde vorbereitet und eingenommen. Zur Planung und Steuerung entstand im LwA eine Projektgruppe Luftwaffenstruktur 4 (ProjGrp LwStr 4). Diese hatte Bedarf an Informationen über die für Westler neuen Standorte in Ostdeutschland festgestellt und darauf reagiert, indem sie Beschreibungen dieser Standorte erarbeitete und in ihrer eigenen Schriftenreihe "Luftwaffe von morgen"; herausgab. Eigentlich waren das kleine Militärlandeskundliche Beschreibungen, mit einem gewissen Schwerpunkt auf sozialen, fürsorglichen Aspekten (Schulen, Kindergärten usw.) Es wäre eine leichte, aber immerhin eine klare Aufgabe des MilGeo-Dienstes gewesen, solche Beschreibungen zu erstellen. Aber die ProjGrp LwStr 4 hat diese Leistung nicht abgefordert; es war nicht einmal klar, ob ihr die Möglichkeit oder Notwendigkeit bewusst war, den MilGeo-Dienst damit zu beauftragen. Es war wiederum ein trauriger Beweis dafür, wie wenig der Dienst speziell in der Luftwaffe bekannt oder geschätzt war.

Aufstellung eines dritten Kartenlagers

Im April 1990 wurde das logistische Konzept der Raumdeckenden Einsatzunterstützung zur Grundlage für die Planung eines dritten Kartenlagers. Es sollte zunächst aufgrund strategischer Überlegungen in Schleswig-Holstein disloziert werden, wurde dann aber im Rahmen der Aufstellung der 5. Luftwaffendivision in den neuen Bundesländern ausgeplant und fand schließlich seinen Platz im Stab des Luftwaffenversorgungsregiments 5 in Trollenhagen bei Neubrandenburg. Später wurde dieses Kartenlager nach Krugau verlegt und dem Luftwaffenmaterialdepot 51 eingegliedert.

Wie das Aufleuchten eines Sterns als Supernova dessen Ende einleitet, markierte das letztmalige Ausweiten der Fachorganisation den Übergang zur Reduzierungsphase und letztlichen Auflösung.

Einführung der Datenverarbeitung in der Versorgung

Am 21. Juni 1989 hatte die Unterstützung der Verwaltung und Verteilung von MilGeo-Unterlagen durch das Datenverarbeitungsvorhaben MilGeoBest begonnen, zunächst für die automatische Verteilung; am 15. Oktober 1991 --nach Entwicklung eines geeigneten maschinenlesbaren Formulars-- wurde es für die gesamte MilGeo-Versorgung in Betrieb genommen. Das Formular, von Dr. Mahncke noch als conditio sine qua non gefordert, wurde später kaum mehr genutzt; besser gesagt wurde auf das Einlesen am Markierungsleser verzichtet, da es dem Personal einfacher erschien, die Anforderungen per Hand einzutippen.

Personalabbau

Mit der Wende begann die Zeit der großen Umbrüche und tiefgreifenden Umstrukturierungen. Sie mündeten in den erweiterten Auftrag der Bundeswehr und in die Luftwaffenstruktur 4. Auch der Militärgeographische Dienst wurde dadurch vor neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten gestellt. Vor der allgemeinen Personalkürzung hat ihn diese Aufgabenstellung aber nicht bewahrt; so musste das Dezernat Militärisches Geowesen in der Luftwaffe 1994 mit Inkrafttreten der neuen STAN 25 % seines Personals abgeben, darunter alle Kartographen, die sich aber im Laufe der nächsten Zeit doch als unverzichtbar herausstellten und deren einer auch wieder zurückgewonnen werden konnte.

Mitte 1996 benannte OTL Bölke das Arbeitsgebiet um. Ihm erschien der Begriff "Militärisches Geowesen in der Luftwaffe" nicht deutlich genug zu machen, dass er auch Zuständigkeiten außerhalb der Luftwaffe wahrzunehmen hat. Daher wurde künftig nachweisbar ab 30.07.1996 die Bezeichnung (Stabsoffizier bzw. Dezernat) "Militärisches Geowesen der Luftwaffe" verwendet.

Radarvermessung

Von 1981 bis 1989 gab es in der 2. Kompanie der Fernmeldeabteilung 61 in Kleinaitingen (Ulrichkaserne, Klosterlechfeld) einen Radarvermessungszug. Seine Aufgabe war es, die Radarstellungen und -geräte der Luftverteidigung und der militärischen Flugsicherung zu vermessen und für erstere als wesentliche Aussage die Deckungswinkel festzustellen.

Gliederung des Radarvermessungszuges Juni 1982 gem. Einzel-BesAnFüDstLw 55-05, Angaben zum Personal auch gem. 2./FmAbt 61 -RadarVermZug- - Az 41-61-10-43 vom 20.01.1989, beides in Aktensammlung

Gliederungs­ebene
Zug
Gliederungs­ebene
Trupp
Gliederungs­ebene
Teileinheit
Aufgaben Personal
Radarvermessungszug 1 Major (Zugführer) Januar 1989: Major Wagner

4 weitere Offiziere

12 Unteroffiziere m.P. (Vermessungsmeister
-Vermessungstechniker- bzw. DV-Bediener)

3 1. Unteroffiziere o.P. (Vermesser bzw. Photgraphen)

1 Angestellte vermutlich Büro- oder Schreibkraft

Radarvermessungs- und Auswertetrupp RadarFüDst
Feldvermessung 1 Unteroffizier m.P. Juni 1990: Oberfeldwebel Löhnert, ist bei der Artillerieschule, die auch für die Topographietruppe zuständig war, ausgebildet worden (StOffzMilGeoLw - Az 53-10-28-07 vom 11.06.1990, in Aktensammlung)

1 Unteroffizier o.P.

Gerätetechnik
Geräteeinsatz
Radarvermessungs- und Auswertetrupp FlaRak
Feldvermessung
Gerätetechnik
Geräteeinsatz

 

Im Zuge der Umgliederung zum Fernmeldesektor 61 wurde die 2. Kompanie aufgelöst. Die Vorbereitung und die Auswertung wurden an die Firma ELEKLUFT vergeben, während die örtliche Vermessung von der Luftwaffenwerft 21 übernommen werden sollte Prüfauftrag LwUGrpKdo N - Az 80-05-00 vom 06.06.1989, in Aktensammlung. Diese stellte fest, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen war. In diesem Stadium wurde StOffzMilGeoLw hinzugezogen und schlug vor, die örtliche Vermessung (Feldvermessung) durch die Vermessungskräfte des Heeres (Topographietruppe oder MilGeo-Stellen der Wehrbereiche) vornehmen zu lassen. Obwohl der Führungsstab der Luftwaffe dies auch so angeordnet hatte Fü L V 5 - Az 41-61-30-(00)/1478, bekannt gegeben durch Fernschreiben MBH44013 von 10.10.1990, in Aktensammlung, wurde es durch den Führungsstab der Streitkräfte BMVg - Fü S III 6 vom 30.12.1991, in Aktensammlung abgelehnt mit dem Hinweis, dass auch die Feldvermessung an die Firma vergeben werden sollte.

Neue Herausforderungen: Weltweites Engagement, digitale Produkte

Die neuen Aufgaben bereiteten anfangs ungeahnte Schwierigkeiten. So mussten z.B. für die sich mehrenden großen Auslandsübungen bei den Verbündeten Karten und MilGeo-Unterlagen in großem Umfang beschafft werden. Bei diesen Übungen ergaben sich auch vermehrt Fragen nach den geodätischen Grundlagen dieser Karten. Es musste eine besondere Anweisung für die Behandlung von Koordinaten und Bezugssystemen geschaffen und geeignete Transformationssoftware in Auftrag gegeben werden.

Die neu eingeführten Datenverarbeitungssysteme und Waffensysteme brachten einen wachsenden Bedarf an MilGeo-Informationen auch in digitaler Form, also MilGeo-Daten mit sich. Die MilGeo-PCMAP, das damalige Paradeprodukt des MilGeo-Dienstes, brachte die Karte auf den Bildschirm. Auf Veranlassung des StOffzMilGeoLw ist auch eine MilGeo-PCMAP "Fliegerkarten" mit einer weltweiten Abdeckung im Maßstab 1:5 Mill. und teilweise 1:500.000 Kartenserien GNC (Global Navigation Chart) bzw. TPC (Tactical Pilotage Chart) erschienen.

Herr Roos musste sich noch 2002, kurz vor der Auflösung des Dezernats, in die uralte (DOS-basierte) Versorgungs-Software MilGeoBest einarbeiten, und es gelang ihm, die mittlerweile aus verschiedenen Gründen ausgeschiedenen weiblichen Angestellten gut genug zu erstetzen.

Einführung der Datenverarbeitung in der Produktion

Das Dezernat erhielt 1990 ??? die sog. "Ausstattung Herstellung Spezial- und Sonderkarten (Ost)", bestehend aus fünf verschiedenen Rechnern, je einem großformatigen Scanner und Plotter und einem RAID-Server mit USV Unterbrechungsfreie Stromversorgung. Hier wird noch zu berichten sein über den nicht ganz einfachen Verlauf der Forderung, Planung, Ausbildung und Nutzung.

Das Ende des MilGeo-Dienstes: Sein Aufgehen im Geoinformationsdienst

Neue Anforderungen des Einsatzes außerhalb des NATO-Gebietes erforderten im neuen Jahrtausend die völlige Umstrukturierung der Bundeswehr. Auch diesmal war der MilGeo-Dienst (MilGeoDst) betroffen. Er wurde jedoch nicht einfach umgegliedert, sondern mit dem Geophysikalischen Beratungsdienst der Bundeswehr (GeophysBDBw) Die Geschichte des GeophysBDBw wurde durch Meyer dokumentiert. zum neuen Geoinformationsdienst der Bundeswehr (GeoInfoDBw) fusioniert. Dies besiegelte das Schicksal des Dezernats MilGeoLw.

Die Versorgungsaufgabe des Dezernats MilGeoLw wurde ab 01.07.2002 mitsamt dem erforderlichen Personal vom nunmehr zentral zuständigen Amt für Militärisches Geowesen (AMilGeo später Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr (AGeoBw)) in Euskirchen übernommen, wo Oberstlt Bölke unter Einsatz seiner Erfahrungen aus der Luftwaffe nach deren Vorbild die zentrale MilGeo-Versorgung der gesamten Bundeswehr einrichtete; der Rest des Personals verblieb in Köln-Wahn und wurde auf die Abteilungen Geophysik dann GeoInfoW bzw. GeoInfoD von Luftwaffenamt und Luftwaffenführungskommando verteilt, die als erste Teileinheiten der Bundeswehr offiziell die Bezeichnung "GeoInfo" erhielten. Damit hatte die Luft­waffe auf den Gebieten der Militär­geo­graphie, des Karten- und des Ver­mes­sungs­wesens einen bedeu­tenden Teil ihrer Auf­gaben, die selb­ständige Stel­lung und die damit verbun­denen eigen­verant­wort­lichen Gestal­tungs­möglich­keiten verloren.

Im Zuge der Umgliederungen wurde aber noch eine letzte Idee verwirklicht. Auf Grund der Erfahrungen des StOffzMilGeoLw und seine Veranlassung wurde erhielt die Abt Geophys dann Abt GeoInfoD des LwFüKdo gegen den Willen des Abteilungsleiters einen neuen Stabsoffiziers-Dienstposten für einen Geographen. Dieser konnte jedoch erst zum 01.10.2006 besetzt werden. Seitdem sind dort zwei Dienstposten für die Fachgebiete Geographie, Kartographie und Navigation einschließlich der fachdienstlichen Aufsicht über die NavUZflgWS offiziell lediglich mittelbar durch Kdo 2. LwDiv zuständig.

Ausklang: Neue Namen, alte Aufgaben. Der weitere Verlauf der Geschichte

Seit Mitte 2002 wurden also die Aufgaben des Militärischen Geowesens in der Luftwaffe nicht mehr zentral, sondern in jeder Höheren Kommandobehörde für sich wahrgenommen. Dies war bei der Aufstellung des GeoInfoDBw so vorgesehen; allerdings war es für einige Offiziere des AGeoBw, die aus dem früheren MilGeo-Dienst kamen, ungewohnt und führte dazu, dass bei verschiedenen Vorgängen selektiv nur das LwFüKdo oder das LwA angeschrieben bzw. beteiligt wurde. Aufgrund der traditionell guten Zusammenarbeit der beiden Abteilungen führte dies jedoch nicht zu den sonst zu befürchtenden Reibungsverlusten.

Luftwaffenamt<br />Auflösung zum 30.09.2013Die Rüstungsprojekte der Luftwaffe mussten weiterhin beraten werden, und neu geschaffene Dokumentenhierarchien verlangten die Mitprüfung von Konzepten und Forderungen aller Ebenen. Auch die Beratung und Versorgung des Stabes des LwA und seiner Fachabteilungen hatte sich qualitativ nicht verändert. Neu war die Verbindung mit dem Fachgebiet Meteorologie/ Klimatologie, auf dem nun auch von den ehemaligen MilGeo-Kräften grundlegende Kenntnisse sowie Engagement erwartet wurden.

Überlegungen des LwFüKdo aus dem Jahre 2008 sahen in der auszubauenden Abt GeoInfoW ein Dezernat "Landeskunde, Navigationsunterstützung und Positionierung" vor, das hinsichtlich der Dienstposten-Anzahl und -Bewertung 1 OTL A15, 1 OTL/M, 1 H, 1 Fw genau dem früheren Dez MilGeoLw des LwA gleicht wenn dessen Versorgungskomponente außer Acht gelassen wird.

Der Umbau der Bundeswehr ab 2011 beendete auch dies Phase der Organisationsgeschichte. Nunmehr wurde ein GeoInfo-Zentrum der Luftwaffe vorgesehen, in dem neben den meteorlogischen sämtliche georäumlichen ("geospatial") Aufgaben der zum 30.09.2013 aufzulösenden Dienststellen Luftwaffenamt und Luftwaffenführungskommando im neuen Zentrum Luftoperationen unter Führung eines Obersten zusammengefasst werden sollten.